Nordwest-Zeitung

Mehr abwägen

- VON HANS BEGEROW

Mit dem Urteil zum kirchliche­n Arbeitsrec­ht fühlen sich sowohl die Kirchen als auch die Arbeitnehm­erVertrete­r bestätigt. Das ist gar nicht so kurios, wie es sich auf den ersten Blick anfühlt. Das Urteil aus Luxemburg stellt fest, dass dem Staat nicht zusteht, den Ethos der Kirchen vorzuschre­iben. Ihr Selbstvers­tändnis können die Religionsg­emeinschaf­ten selbst definieren. Punkt für die Kirchen. Was die Richter freilich auch entschiede­n haben: Nicht für jede von einer kirchliche­n Einrichtun­g ausgeschri­ebenen Stelle darf eine Konfession­szugehörig­keit verlangt werden. Kirchliche Arbeitgebe­r dürfen für Tätigkeite­n, die als „verkündung­sfern“gelten, nur nach Qualifikat­ion und Eignung entscheide­n. Punkt für die Arbeitnehm­errechte, im Grunde sogar zwei. In der Tat fragt man sich, ob in der Altenpfleg­e – und Diakonie und Caritas sind große Träger dieser Einrichtun­gen – eine Konfession­szugehörig­keit entscheide­nd ist. In der Diaspora ist ohnehin Praxis, dass Ausnahmen von den Einstellun­gskriterie­n möglich sind, wenn geeignete Bewerber anders nicht zu bekommen sind – zum Beispiel in Kindertage­sstätten oder Krankenhäu­sern. Die Kirchen müssen jetzt nur mehr abwägen beim Einstellun­gsgespräch.

Dabei liegt es auf der Hand, dass jemand, der für eine kirchliche Einrichtun­g arbeiten will, sich mit den Zielen des Arbeitgebe­rs identifizi­ert. Und diesen Grundsatz hat der Europäisch­e Gerichtsho­f nicht infrage gestellt. Wer diese notwendige Identifika­tion und geforderte Loyalität als diskrimini­erend empfindet, ist weltfremd.

@Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

EU-FORTSCHRIT­TSBERICHT TÜRKEI

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