Mehr abwägen
Mit dem Urteil zum kirchlichen Arbeitsrecht fühlen sich sowohl die Kirchen als auch die ArbeitnehmerVertreter bestätigt. Das ist gar nicht so kurios, wie es sich auf den ersten Blick anfühlt. Das Urteil aus Luxemburg stellt fest, dass dem Staat nicht zusteht, den Ethos der Kirchen vorzuschreiben. Ihr Selbstverständnis können die Religionsgemeinschaften selbst definieren. Punkt für die Kirchen. Was die Richter freilich auch entschieden haben: Nicht für jede von einer kirchlichen Einrichtung ausgeschriebenen Stelle darf eine Konfessionszugehörigkeit verlangt werden. Kirchliche Arbeitgeber dürfen für Tätigkeiten, die als „verkündungsfern“gelten, nur nach Qualifikation und Eignung entscheiden. Punkt für die Arbeitnehmerrechte, im Grunde sogar zwei. In der Tat fragt man sich, ob in der Altenpflege – und Diakonie und Caritas sind große Träger dieser Einrichtungen – eine Konfessionszugehörigkeit entscheidend ist. In der Diaspora ist ohnehin Praxis, dass Ausnahmen von den Einstellungskriterien möglich sind, wenn geeignete Bewerber anders nicht zu bekommen sind – zum Beispiel in Kindertagesstätten oder Krankenhäusern. Die Kirchen müssen jetzt nur mehr abwägen beim Einstellungsgespräch.
Dabei liegt es auf der Hand, dass jemand, der für eine kirchliche Einrichtung arbeiten will, sich mit den Zielen des Arbeitgebers identifiziert. Und diesen Grundsatz hat der Europäische Gerichtshof nicht infrage gestellt. Wer diese notwendige Identifikation und geforderte Loyalität als diskriminierend empfindet, ist weltfremd.
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EU-FORTSCHRITTSBERICHT TÜRKEI