Gute Aussichten für „Astro-Alex“
So bereitet sich der deutsche Astronaut auf die Internationale Raumstation vor
Der 41-Jährige ist startklar für seinen zweite Mission. Nur die TrikotFrage bereitet ihm noch Sorgen.
KÖLN – „Einem Astronauten geht es immer besser, je näher der Starttermin rückt. Denn nun wird die Wahrscheinlichkeit immer kleiner, dass noch etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Er bin gut vorbereitet.“Alexander Gerst steht vor seiner zweiten Mission zur Internationalen Raumstation ISS. Voraussichtlich am 6. Juni ist es soweit. Gestartet wird vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan.
Vor seinem Abheben hat sich der 41-Jährige am Dienstagvormittag im Hauptquartier des Europäischen Raumfahrtzentrums (ESA) in Köln den Fragen von mehr als 80 Journalisten aus dem In- und Ausland gestellt – wie gewohnt entspannt und topfit.
Eloquent, smart und im Astronauten-Overall der ESA berichtet er von den Vorbereitungen auf seine zweite Mission (Name: Horizonte) auf
der ISS, deren Kommandant er bald für drei Monate werden soll, als zweiter Westeuropäer und erster Deutscher. Im Sternenstädtchen (Russisch: Swjosdnyj Gorodok), in Houston (USA) und in Köln hat er schon für die Mission geübt, die ihn von Mai bis November 2014 auf die ISS führte. Seine Rückbesinnung auf den ersten Start ist so unterhaltsam wie vieles, was er erzählt. Er habe sich gefragt: „Ist das jetzt nicht vielleicht eine Nummer zu krass für mich?“Seine Lektion: „Wir alle können sehr, sehr viel mehr als wir denken.“Auch Disziplin mag man von ihm lernen. Die Härten in der Ausbildung sind nicht zu unterschätzen. So hat Gerst die Antarktis bereist und das Astronauten-Überlebenstraining bei minus 30 Grad ohne Zelt im Schlafsack absolviert.
Gerst spricht viel von den Aufgaben und Herausforderungen, die auf ihn im All warten. Und darüber, welche Bedeutung die Raumstation für die Forschung habe. Er weiß, dass er von den Erfahrungen seiner ersten Mission profitieren kann. Doch seien viele Geräte neu und da könnten trotz aller Routine schon mal Fehler passieren. Die ISS sei schließlich die komplexeste
Maschine, die die Menschheit je gebaut habe. Im Fall der Fälle muss der Geophysiker sogar in der Lage sein, die Sojus auf dem Rückweg von der ISS in Eigenregie auf die Erde zu bringen – von Hand, ohne Hilfe des Bordcomputers.
Mit ihm fliegen die Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor und der Russe Sergej Prokopjew zur ISS. Erst vor ein paar Monaten war bekannt geworden, dass AuñónChancellor, die zunächst für die Folgemission trainierte, jetzt schon bei der Mission „Horizons“dabei sein soll. Die amerikanische Raumfahrtbehörde (Nasa) teilte mit, die ursprünglich vorgesehene Jeanette Epps werde ins Johnson-Raumfahrtzentrum in Houston zurückversetzt und „für künftige Missionen in Betracht gezogen“. Die Gründe für diesen ungewöhnlichen Schritt wurden nicht bekannt. Gerst ist dieses Mal der jüngste im Team, aber er ist auch der Erfahrenste.
Erforschen soll er Granulate, Kristallwachstum, Metalle und das menschliche Immunsystem. Zudem werde sein Gehirn vor und nach dem Flug untersucht, um den Effekt der Schwerelosigkeit zu erforschen. Denn im All falle
der Gleichgewichtssinn aus, und das Hirn ignoriere den Bereich zugunsten des Sehzentrums – eine Überbrückung, die nach einem Schlaganfall ähnlich vonstatten gehe. So könne die Forschung womöglich Schlaganfallpatienten helfen, schneller wieder laufen oder reden zu lernen.
Auf der Raumstation bekommt Alexander Gerst einen bei Airbus entwickelten Roboter namens „Cimon“zur Seite, der ihm testweise Arbeit abnehmen soll. Die ISS beschreibt er als „Menschmaschine“, die zu 90 Prozent „robotisch“sei und zu zehn Prozent „human“, wobei ohne die „menschliche Intuition“etwas fehlen würde. Der Astronaut will überzeugen: „Weltraumfahrt ist nicht etwas, das wir uns leisten, weil es schön ist.“Sie ergebe auch wirtschaftlich Sinn. Jeder Euro, der in sie investiert werde, komme zweifach zurück, sagt Gerst und beruft sich auf eine Studie von Wirtschaftsprüfern. Experimente, Zahlen und Abwägungen machen noch keinen Star. Wie ist es denn, mit 26 Millionen PS in Baikonur abzuheben? „Absolut großartig!“
Der populäre Astronaut aus Künzelsau will auch diesmal möglichst viele Menschen am Boden intensiv an seiner Mission teilhaben lassen. Schließlich sei es ein „Privileg, zur ISS zu fahren“. Er werde Fotos und seine Gedanken in 400 Kilometern über der Erde über die sozialen Medien „nach unten“schicken. Mindestens eine Stunde pro Tag auf der ISS will er sich dafür Zeit nehmen. Seine Bilder und Botschaften aus dem All hatten 2014 Begeisterung ausgelöst. „AstroAlex“hat die direkte Verbindung zur Erde zu einem Vorbild der Jugend gemacht.
Es sei ihm ein Anliegen, das Interesse von Kindern und Jugendlichen zu wecken. „Ich will bei denen nicht als Superheld dastehen.“Die Jugend solle lieber denken: „Wenn der das kann, können wir das auch“, schilderte Unicef-Botschafter Gerst.
Alles ist durchgeplant. Nur eine Frage noch nicht beantwortet: Welches Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft er mit ins All nimmt: Das von 2014 (Gerst wurde damals an Bord der ISS Weltmeister) oder das aktuelle für die WM 2018 in Russland. Er wird eine Lösung finden und es uns wissen lassen.