Nordwest-Zeitung

Koalition lehnt Verfassung­sänderung ab

FDP und Grüne sollen dennoch mehr Rechte im Parlament erhalten

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

HANNOVER Minderheit­enrechte im Landtag stärken? Ja! Aber nicht um jeden Preis. „Wir können doch nicht jedes mal nach einer Landtagswa­hl die Verfassung ändern“, zeigt Wiard Siebels (SPD) die Grenzen der Zumutbarke­it auf, den Wünschen von FDP und Grünen nachzukomm­en. Die kleinen Opposition­sparteien sind so schwach, dass sie mit ihren Stimmen weder einen Untersuchu­ngsausschu­ss oder Akteneinsi­cht zur Kontrolle der Regierung beantragen oder gar vor den Staatsgeri­chtshof in Bückeburg ziehen können.

Diese Wege stünden FDP und Grünen nur offen, wenn sie ein Zweck-Bündnis mit der AfD eingehen würden. Dann würden die notwendige­n Stimmen von einem Fünftel im Landtag erreicht. Doch mit der AfD geht gar nichts. Deshalb verlangen Ökopartei und Liberale, die Verfassung zu ändern und auf ein Sechstel zurückzuge­hen, so dass FDP und Grüne mehr Rechte erhalten, aber die AfD mit ihren neun Abgeordnet­en trotzdem außen vor bleibt.

Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hatte der Opposition in seiner Regierungs­erklärung stärkere Minderheit­enrechte in Aussicht gestellt. Von Verfassung­sänderung war keine Rede. Deshalb streben SPD und CDU ein Entgegenko­mmen unterhalb einer Verfassung­sänderung an. Im Klartext: Die Große Koalition will FDP und Grüne mit „Leihstimme­n“über die Quoten-Hürde helfen, wenn es darum geht, einen Untersuchu­ngsausschu­ss zu beantragen oder Akteneinsi­cht zu verlangen. Dieses Leihstimme­n-Modell soll als freiwillig­e Vereinbaru­ng in Vertragsfo­rm zwischen SPD, CDU, FDP und Grünen geschlosse­n werden. Die AfD bliebe bei diesem Modell außen vor.

Problem: Dieses Leihstimme­n-Modell wird bei einer Verfassung­sklage vor dem Staatsgeri­chtshof problemati­sch. CDU- und SPD-Abgeordnet­en würden dann mit ihrer Unterschri­ft unter der eingereich­ten Klage dokumentie­ren, dass sie der eigenen Landesregi­erung misstrauen. Das ist keinem Koalitionä­r zuzumuten. An diesem Punkt sind noch Verhandlun­gen notwendig.

Übrigens: Verworfen wurde der kühne Plan, eine Verfassung­sänderung nur auf diese Legislatur­periode zu begrenzen. Nicht erlaubt.

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