Künstler kämpft für die Unterdrückten
Werke von Zelimir Zilnik im Edith-Russ-Haus – egr nder des filmischen Doku-Dramas
Cie Filmhelden des 75jährigen erben sind immer schon gewöhnliche Menschen gewesen. Aber wie dokumentiert man 50 Jahre Filmschaffen? Ganz einfach: Man zeigt ganz viele Filme.
BLDENBURG Er improvisiert gern. Er dreht auch mal einen Film in seiner Datscha. Er setzt sich vehement für die Unterdrückten und deren Nöte und Ängste ein. Und zwar über Jahrzehnte. Und er ist, so sagen die Kenner, nicht so sehr hinter dem Geld her.
Also ein ziemlich untypischer Künstler?
Zelimir Zilnik, serbischer Filmemacher und einer der Erfinder der ersten Doku-Dramen, hat jetzt eine Ausstellung im Oldenburger EdithRuss-Haus für Medienkunst bekommen, die sein Schaffen ziemlich vollständig dokumentiert. Und zwar nicht wie sonst üblich nach der altbekannten Art von: hier ein Filmchen, dort ein Plakat, hier noch ein aufgeblättertes Drehbuch.
An Bauzäunen
Die Oldenburger Schau setzt konsequent nur auf Filme und Filmausschnitte und besteht fast nur aus Monitoren, die zum Teil einfach an Bauzäune gehängt wurden – ein witziger Einfall, der auch dem großen Improvisator Zilnik gerecht wird.
Der Künstler kam 1942 zur Welt. Er prägte die Anfänge der jugoslawischen Amateurfilmszene der 1960er Jahre – und die Amateurfilmer waren im kommunistischen Staat schon ziemlich professionell organisiert, also kaum amateurhaft. Zilnik drehte in seinem Leben bisher schon zahlreiche Kurzfilme, Fernseh-Filme, Langfilme und auch Spielfilme. Früh wurde sein Werk international anerkannt. Sein Film „Early Works“erhielt 1969 auf der Berlinale den Goldenen Bären.
Da ZZ, wie er gern abgekürzt Erklärt seine Werke in seiner Schau: Zelimir Zilnik in Oldenburg wird, immer die Freiheit feiert und die Unterdrückung vehement kritisiert, musste er aus dem Tito-Staat in den 70er-Jahren für einige Zeit nach Deutschland fliehen, wo er Independent-Filme realisierte, die sich vor allem mit Gastarbeitern befassten.
In einem Schwarzweißstreifen kommen zum Beispiel in München Gastarbeiter etwas hölzern eine Treppenhaustreppe herunter und
erzählen kurz ihre Geschichte in radebrechender deutscher Sprache: „Ich heiße .... und bin sein zwei Jahren in Deutschland.“
Heute lebt Zilnik wieder in Novi Sad. Er ist 75 Jahre alt und kein bisschen ruhig geworden. Er spricht, so Zilnik über Zilnik, durchaus Deutsch – aber ganz niedlich „ein Deutsch ohne Grammatik“. Und er kämpft weiter gegen Missstände aller Art, zum Beispiel in Fragen der Behandlung von Minderheiten oder beim Thema Migration. Anders gesagt: Er ging einfach mal in ein serbisches Aufnahmelager für Migranten und hielt tüchtig und entlarvend die Kamera drauf.
Schattenbürger
Auch sonst wählt er als Helden seiner Filme gern Menschen, die sonst nicht gerade Helden sind: alte Leute, arme Leute, benachteiligte Schwule, Sinti und Roma, Unterdrückte aller Art. Man spürt, dass er ein Anliegen hat. Dass er Kunst nicht allein der Kunst wegen betreibt. „Shadow Citizens“heißt logischerweise die Oldenburger Ausstellung im Edith-RussHaus. „Schattenbürger“waren etwa 1971 auch die sechs Obdachlosen, die er da auf der Straße auflas, zu sich in die Wohnung holte, um dann mit Szene aus dem Film „Early Works“von 19 9 Szene aus dem Film „Marble Ass“von 199
vorgehaltener Kamera und Mikrofon nach Lösungen in der Stadt zu suchen, die Obdachlosen irgendwo unterzubringen.
Wie es ausging? Er schickte alle wieder auf die Straße. Es gab keine Lösung.
Zilnik betont gern, dass seine Arbeiten kollektive Arbeiten sind. „Ich bin nur der Dirigent“, sagt er bescheiden. Wahrlich, ein untypischer Künstler. In Oldenburg sind nun 30 Werke von Zilnik zu sehen – viele Stunden Film, einige Streifen ungekürzt, andere in Drei-Minuten-Ausschnitten. Man nehme sich also Zeit und ein Stühlchen für die Schau mit.