Großartige Musik zum stillen Glühen gebracht
Garrick Ohlsson spielt drei sehr unterschiedliche Klaviersonaten im Staatstheater
OLDENBURG Garrick Ohlsson, 1948 bei New York geboren, gehört zu den wichtigsten lebenden Pianisten. Ihm wird neben meisterlichen Fähigkeiten ein besonders breites und vielseitiges Repertoire nachgerühmt, das von Bach bis zu Zeitgenossen reicht. Alles spielen können ist das eine, aber alles kongenial spielen zu können, sich in verschiedene Stile und Ausdrucksformen gleichermaßen hineinarbeiten zu können, etwas ganz anderes.
Garrick Ohlsson hatte für seine Klavier-Matineé im Staatstheater drei vom Charakter und vom Kompositorischen deutlich unterschiedene Klaviersonaten mitgebracht, die er mit überlegener Technik, feinem Anschlag und sparsamer Pedalbenutzung einem begeisterten Publikum vorstellte. Ohlsson, der ein zweistündiges Programm mit zwei Chopin-Zugaben frei, ohne Blatt, spielte, ist vom Typ her der freundliche, zurückhaltende ältere Herr, der auch Schriftsteller oder Professor sein könnte. Er sitzt ohne Attitüde auf seinem Schemel vor dem großen Flügel, konzentriert sich und spielt los. Mit Beethovens Klaviersonate Nr. 28 A-Dur, op. 101 beginnend, weiter mit der so anders gearteten Klaviersonate Nr. 5 von Alexander Skrjabin und kulminierend und beschließend mit der zweitletzten Klaviersonate von Franz Schubert, der in ADur, D 959.
Wenn Ohlsson spielt, sich versenkt, im durchschnittlichen Anzug optisch sehr bieder wirkt und wenig Show zeigt, dann lenkt sich der Blick des Betrachters von selbst nach innen, verliert sich sehr schnell ebenfalls in die großartige Musik, die auf eine ungemein intensive Weise ausgeleuchtet und zum stillen, nie vordergründigen Glühen gebracht wird.
Da, wo Beethoven „mit innigster Empfindung“fordert, und da, wo „mit Entschlossenheit“in der Partitur verlangt wird, erfüllt die erklingende Musik das Geforderte, ohne dass eine äußere Kraftanstrengung oder etwas Verzärtelt-Süßliches zu hören wäre. Die Fähigkeit des Pianisten, mit feinen, mit subtilen Mitteln der Ausdeutung von Ausdruck und einer technischen Beschlagenheit sondergleichen das Geforderte zu erreichen, gepaart mit dem äußerlich unspektakulären Auftreten jenseits des Tastenlöwe-Gehabes, wirkt nüchtern, analytisch, bezogen auf die sehr schön offengelegte Struktur der Kompositionen auch etwas didaktisch, erfüllt sich aber im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Sonate als stimmig, durchdacht, an jedem Einzelmoment wie an den übergreifenden Bögen und Klammern des Gesamtwerks überzeugend lebendig und in einem weiteren Sinne sogar warm und sinnlich.
Die drei von Faktur und Temperament so unterschiedlichen Sonaten wirken dann auch sehr unterschiedlich, ermöglichen den genauen Vergleich bei stilbewusster Herangehensweise.
Mit vier kleineren Stücken von Skrjabin und dem Walzer cis-Moll und der Mazurka FMoll von Chopin bewies dann Ohlsson noch, dass er die Miniaturen und Charakterstücke mit ihrer ganz anders gearteten Dramatik ebenso beherrscht wie die große klassische Form. Der freundliche ältere Herr spielte auch mit Feuer, mit Drang, und, was besonders positiv auffiel, mit Witz und Ironie.