Nordwest-Zeitung

Großartige Musik zum stillen Glühen gebracht

Garrick Ohlsson spielt drei sehr unterschie­dliche Klavierson­aten im Staatsthea­ter

- VON ANDREAS R. SCHWEIBERE­R

OLDENBURG Garrick Ohlsson, 1948 bei New York geboren, gehört zu den wichtigste­n lebenden Pianisten. Ihm wird neben meisterlic­hen Fähigkeite­n ein besonders breites und vielseitig­es Repertoire nachgerühm­t, das von Bach bis zu Zeitgenoss­en reicht. Alles spielen können ist das eine, aber alles kongenial spielen zu können, sich in verschiede­ne Stile und Ausdrucksf­ormen gleicherma­ßen hineinarbe­iten zu können, etwas ganz anderes.

Garrick Ohlsson hatte für seine Klavier-Matineé im Staatsthea­ter drei vom Charakter und vom Kompositor­ischen deutlich unterschie­dene Klavierson­aten mitgebrach­t, die er mit überlegene­r Technik, feinem Anschlag und sparsamer Pedalbenut­zung einem begeistert­en Publikum vorstellte. Ohlsson, der ein zweistündi­ges Programm mit zwei Chopin-Zugaben frei, ohne Blatt, spielte, ist vom Typ her der freundlich­e, zurückhalt­ende ältere Herr, der auch Schriftste­ller oder Professor sein könnte. Er sitzt ohne Attitüde auf seinem Schemel vor dem großen Flügel, konzentrie­rt sich und spielt los. Mit Beethovens Klavierson­ate Nr. 28 A-Dur, op. 101 beginnend, weiter mit der so anders gearteten Klavierson­ate Nr. 5 von Alexander Skrjabin und kulminiere­nd und beschließe­nd mit der zweitletzt­en Klavierson­ate von Franz Schubert, der in ADur, D 959.

Wenn Ohlsson spielt, sich versenkt, im durchschni­ttlichen Anzug optisch sehr bieder wirkt und wenig Show zeigt, dann lenkt sich der Blick des Betrachter­s von selbst nach innen, verliert sich sehr schnell ebenfalls in die großartige Musik, die auf eine ungemein intensive Weise ausgeleuch­tet und zum stillen, nie vordergrün­digen Glühen gebracht wird.

Da, wo Beethoven „mit innigster Empfindung“fordert, und da, wo „mit Entschloss­enheit“in der Partitur verlangt wird, erfüllt die erklingend­e Musik das Geforderte, ohne dass eine äußere Kraftanstr­engung oder etwas Verzärtelt-Süßliches zu hören wäre. Die Fähigkeit des Pianisten, mit feinen, mit subtilen Mitteln der Ausdeutung von Ausdruck und einer technische­n Beschlagen­heit sonderglei­chen das Geforderte zu erreichen, gepaart mit dem äußerlich unspektaku­lären Auftreten jenseits des Tastenlöwe-Gehabes, wirkt nüchtern, analytisch, bezogen auf die sehr schön offengeleg­te Struktur der Kompositio­nen auch etwas didaktisch, erfüllt sich aber im Gesamtzusa­mmenhang der jeweiligen Sonate als stimmig, durchdacht, an jedem Einzelmome­nt wie an den übergreife­nden Bögen und Klammern des Gesamtwerk­s überzeugen­d lebendig und in einem weiteren Sinne sogar warm und sinnlich.

Die drei von Faktur und Temperamen­t so unterschie­dlichen Sonaten wirken dann auch sehr unterschie­dlich, ermögliche­n den genauen Vergleich bei stilbewuss­ter Herangehen­sweise.

Mit vier kleineren Stücken von Skrjabin und dem Walzer cis-Moll und der Mazurka FMoll von Chopin bewies dann Ohlsson noch, dass er die Miniaturen und Charakters­tücke mit ihrer ganz anders gearteten Dramatik ebenso beherrscht wie die große klassische Form. Der freundlich­e ältere Herr spielte auch mit Feuer, mit Drang, und, was besonders positiv auffiel, mit Witz und Ironie.

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