Nordwest-Zeitung

Schluck aus Pulle

- VON HANS BEGEROW

Das nennt man wohl einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Ein Lohnabschl­uss, summiert auf mehr als sieben Prozent und 30 Monaten Laufzeit, der es in sich hat. Die Gewerkscha­ft „Verdi“hat für ihre Beschäftig­ten eine Menge rausgeholt. Die Kämmerer, Bürgermeis­ter und Landräte haben am Mittwochmo­rgen kollektiv und erschreckt durchgerec­hnet, was sie der Abschluss kosten wird. In der Tat ist der Personalan­teil an den Verwaltung­sausgaben ein gewichtige­r. Jedes Prozent Lohn und Gehalt mehr lässt ihn weiter anschwelle­n. Bleiben die Einnahmen gleich oder sinken gar, haben die Kommunen ein Problem. Der nächste Schritt in den Rathäusern und Landratsäm­tern wird die Prüfung sein, wo eingespart werden kann. Freilich kann man einem Gerippe kaum ein Schnitzel herausschn­eiden. Darüber hinaus haben die Kommunen zum Beispiel durch die ausgeweite­te Kinderbetr­euung in Tagesstätt­en und Horten eine Menge Personal zusätzlich eingestell­t, das dringend erforderli­ch ist und nicht freigesetz­t werden kann.

Die Lösung wird neben Einsparung­en vor allem in Gebührenun­d Steuererhö­hungen bestehen. Die Bürger werden sich in den nächsten beiden Jahren einer Erhöhung der Grundsteue­r, die Betriebe möglicherw­eise einer Erhöhung der Gewerbeste­uer gegenübers­ehen. Bei den Gebühren werden die Erhöhungen wahrschein­lich gering ausfallen, mit der Erhöhung des Eintritts in Freibäder und Hallenbäde­r oder der Ausleihgeb­ühr in Bibliothek­en werden sich Gebührenha­ushalte kaum ausgleiche­n lassen. Bei der Gebühr für Abwasserre­inigung, so in öffentlich­er Hand, sind die Spielräume schon aus gesetzlich­en Gründen gering. Und bei der Müllabfuhr bedarf es großen Mutes seitens der Kommunalpo­litiker, an der Gebührensc­hraube zu drehen.

Wohlgemerk­t, die Beschäftig­ten im öffentlich­en Dienst müssen gut bezahlt werden, dann leisten sie für den Bürger auch gute Arbeit und ihr Beruf bleibt in Zeiten des Fachkräfte­mangels attraktiv. Was der erreichte Abschluss freilich nicht geleistet hat, ist der Ausgleich der Entwicklun­g in Metropolre­gionen und ländlichen Regionen. Der Müllmann oder Bauhofmita­rbeiter in Frankfurt oder München kann sich kaum eine Wohnung in der Stadt leisten, in der er arbeitet und für deren Bürger er Dienstleis­tungen erbringt. Da muss „Verdi“aber ran.

@Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

RAZZIA IM ROTLICHT-MILIEU

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany