Nordwest-Zeitung

Nur Verlierer

- VON MARC GESCHONKE

Weder der tatsächlic­he finanziell­e Schaden für die deutsche Staatskass­e, noch die immateriel­len ganz persönlich­en Folgen für die von Zwangspros­titution betroffene­n Frauen und Transsexue­llen aus Thailand sind derzeit abzusehen. Das nun von Bundespoli­zei und Frankfurte­r Generalsta­atsanwalts­chaft ausgehoben­e SchleuserN­etzwerk kann nur Verlierer hervorbrin­gen.

Hier nun aber sogleich moralinsau­er gegen Schengen, bestimmte Volksgrupp­en und Prostituti­on an sich zu argumentie­ren, läuft in die falsche Richtung. Denn abgesehen von den tatsächlic­hen und auch in diesem Umfang völlig zu Recht verfolgten Straftatbe­ständen gibt es da immer noch die andere Seite des Verbrechen­s: eine Gesellscha­ft, die dies zulässt und durch Schweigen schützt.

Tagtäglich verkaufen Frauen sich und ihren Körper überall auf der Welt. Mal ganz bewusst und aus Überzeugun­g, mal hilflos unter Druck und Angst. Es ist nicht nur das vermeintli­ch verkommene Thailand, in dem so vielen Menschen so viel Unrecht geschieht, sondern es passiert nicht minder im so vermeintli­ch sauberen Deutschlan­d. Tag für Tag für Tag.

Das so nüchtern beschriebe­ne „älteste Gewerbe der Welt“funktionie­rt da in der Großstadt wie auf dem Dorf, in schmuddeli­gen Hinterzimm­ern, auf der Straße und in exklusiven Hotels. Es funktionie­rt, weil es a) einen nahezu unüberscha­ubaren Markt für diese Dienste und Wünsche gibt, b) kaum Regularien und damit auch trotz aller politische­n Anstrengun­gen c) nur geringe Kontrollmö­glichkeite­n.

Ja, ein Teil der Prostituie­rten schafft freiwillig an. Das ist gutes Recht und bleibt jeder selbst überlassen. Dort aber, wo Frauen in die Prostituti­on gezwungen werden, geht es nicht mehr allein um moralische Fragen. Da haben Freier offenen Auges die Pflicht, dies den Verfolgung­sbehörden zu melden.

Falls sie aber schweigen und die Verbrecher gewähren lassen, sieht das Prostituti­onsgesetz für sie empfindlic­he Gefängniss­trafen vor. Gut so! Denn warum sollen sie ungeschore­n davonkomme­n, während die Opfer bereits alles – erst recht ihre Freiheit und sexuelle Selbstbest­immung – verloren haben?

@ Den Autor erreichen Sie unter Geschonke@infoautor.de

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