Jeder Cent ging an Bordell-Inhaber
Razzien der Bundespolizei beenden Zwangsprostitution – Visa erschlichen
I1 Zentru1 der Er1itt) lungen steht ein Paar aus Siegen. Es soll Frauen aus Thailand ins Land geschleust haben.
D/ RG /G/ 8RN 8 R Rote Vorhänge, schummriges Licht und frohlockendes Lächeln bilden den verheißungsvollen Rahmen – brutaler Menschenhandel und Zwangsprostitution hingegen den Kern dieser Parallelrealität, die sich tagtäglich hinter bundesdeutschen Wänden vollzieht. Mit dem wohl größten Einsatz in der Geschichte der Bundespolizei ist den Behörden nun zwar ein ordentlicher Schlag gegen die Organisierte Kriminalität geglückt. Von einem Befreiungsschlag kann da aber keine Rede sein.
Es ist ein Mittwoch, 6 Uhr in der Früh, als in ganz Deutschland Haustüren von einschlägigen Etablissements, unscheinbaren Wohnungen oder auch Büros durch die Flure fliegen. Binnen weniger Augenblicke sind Menschen in Handschellen gelegt, Schränke durchsucht und vielleicht das eine oder andere Leben von Grund auf geändert.
1527 Beamte der Bundespolizei und weiterer Ermittlungsbehörden haben in einer konzertierten Aktion gleich 62 Gebäude umstellt, geöffnet und durchsucht. „Gewerbsund bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern, gewerbs- und bandenmäßige Zwangsprostitution, Zuhälterei, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung“sind die juristischen Gründe. Zerstörte Leben die moralischen.
unterschiedliche Freudenhaus-Modelle des Landes schickten, um den eigenen Gewinn zu mehren.
17 Objekte in NRW, derer zehn in Hessen und neun in Niedersachsen – unter anderem in Oldenburg. Überall dort wurden Frauen und Transsexuelle mutmaßlich gegen ihren Willen in die Prostitution gezwungen, um „besondere sexuelle Interessen zu befriedigen“, wie es heißt. Von diesen so erwirtschafteten Einnahmen sollen die Opfer selbst aber offenbar keinen Cent gesehen haben. Laut der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft – die sogenannte „Eingreifreserve“hatte die Ermittlungen und die Großrazzia federführend begleitet – sollen sie das Geld gleich vollumfänglich über die örtlichen Bordellbetreiber an die Hauptbeschuldigte weitergeleitet haben. Denn die 59-Jährige hatte die Einschleusung der Thais mit Beträgen zwischen 16000 und 36 000 Euro veranschlagt. Angebliche Kosten der „Überführungs-Mühen“also, die die Frauen und Transsexuellen nun in Deutschland abzuarbeiten hatten. Weitere Forderungen für Miete und Verpflegung schlossen sich an. Ein Fass ohne Boden.
Mit der Aufdeckung dieses Netzwerkes ist den bislang 32 registrierten Prostituierten aber nur auf den ersten Blick geholfen. Denn weitere Probleme schließen sich jetzt an. Die Personen sind mittellos, haben zumeist in ihren Bordellen auch mehr oder minder gut gelebt. Da die Gebäude nun aber gesichert und verschlossen sind, fehlt den Bewohnern ab sofort eine Bleibe. Und schwerwiegender noch: „Die Personen befinden sich nun in einer Doppelstellung“, sagt Oberstaatsanwalt Oberstaatsanwalt Alexander Badle berichtet in Frankfurt am Main über Razzien.
Alexander Badle auf Nachfrage dieser Zeitung, „für uns haben sie einen Zeugenstatus und sicher wichtige Informationen für die weiteren Ermittlungen, andererseits haben sie mit der illegalen Einreise eine Straftat begangen.“Man arbeite nun zwar mit den Ausländerbehörden „eng an Lösungen“, wie er sagt, andererseits enden Zuständigkeit und Verantwortung der Generalstaatsanwaltschaft für diesen Kreis auch mit dem Großeinsatz. Eine Abschiebung gilt als wahrscheinlich, bis zur Klärung der Situation aber würden die Betroffenen wohl zunächst in sozialen Einrichtungen aufgenommen, heißt es. „Menschlich gesehen ist es sicher eine Tragödie“, sagt Badle.
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Auch das kriminelle Umfeld wird sich auf einen spontanen Lebenswandel einzustellen haben: Sieben dringend Tatverdächtige wurden am Mittwochmorgen festgenommen, eine hohe zweistellige Zahl an weiteren Beschuldigten
im Alter von 26 bis 66 Jahren dürfte unter Hochspannung die weiteren Ermittlungen der Behörden abwarten. Denn diese haben in den kommenden Wochen und Monaten reichlich zu tun. Umfangreiches Beweismaterial und Bargeld in einer sechsstelligen Gesamthöhe wurden bei den Razzien in zwölf Bundesländern sichergestellt, zahlreiche Zeugen dürften noch verhört werden. Ob dabei auch internationale Haftbefehle zum Zuge kommen werden? Dazu hält sich die Generalstaatsanwaltschaft bedeckt, klar aber ist: Die Drähte nach Thailand glühen heiß. „Wir müssen auch rekonstruieren, wie die Tatverdächtigen an die Besuchs-Visa gekommen sind“, so Badle auf Nachfrage. „In Zusammenarbeit mit unbekannten, in Thailand befindlichen Personen, sollen gezielt Frauen und Transsexuelle angeworben und diese mit erschlichenen Schengen-Visa für touristische Zwecke, die nicht zur Einreise und Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigen, ausgestattet“worden sein, so heißt es nach bisherigen Erkenntnissen aus Frankfurt. Sprich: Den sogenannten Vermittlern war von Beginn an klar, dass die Frauen in die Prostitution gezwungen werden und die Visa-Gültigkeit nicht lange Bestand haben wird.
Verteilt wurden die Frauen in dem für sie völlig fremden Land in einem ausgeklügelten Rotationsprinzip. Nach ihrer fragwürdigen „Einarbeitung“bei den Hauptbeschuldigten in Siegen ging es auf die Reise, in stetem Wechsel wurden die Einrichtungen aufgesucht und neue Kundschaften generiert. So in Delmenhorst – hier war’s ein Bordellbetrieb an der Stedinger Straße –, so auch in Oldenburg, wo im Gewerbegebiet an der Holler Landstraße besondere (trans)sexuelle Vorlieben befriedigt wurden.
„Der Bundespolizei ist ein harter und in seinem Ausmaß beispielloser Schlag gegen ein bundesweit verzweigtes Netzwerk der Organisierten Kriminalität gelungen“, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Mittag dazu erklärt, „viele Hundert Frauen und Männer waren der menschenverachtenden grenzenlosen Profitgier von Schleusern über Jahre und Landesgrenzen hinweg ausgeliefert. Diesem skrupellosen Vorgehen und der sexuellen Ausbeutung in einem abscheulichen Ausmaß konnte heute ein Ende gesetzt werden.“
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Die Generalstaatsanwaltschaft geht von einem Schaden in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro aus. Allein für die Sozialversicherung. Und allein aus den drei Bordellbetrieben der Hauptbeschuldigten in Siegen. Mit Blick auf das mindestens national agierende Netzwerk und auch auf etwaige Steuerausfälle könnte sich da gut und gern noch eine weitere Ziffer anschließen. Mit Blick auf die Organisierte Kriminalität in Deutschland mag es zwar zudem nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Aber ein starkes Zeichen für die Ermittlungsarbeit und Durchschlagskraft hiesiger Behörden ist es allemal. Hoffentlich auch für die vielen Frauen, die nicht aus freien Stücken der Prostitution nachgehen.