Nordwest-Zeitung

Sorge vor Erdogan% Schimpftir­aden

Auftrittsv­erbote gelten weiter – Geht der deutsch-türkische Streit von vorn los?

- VON MICHAEL FISCHER UND MIRJAM SCHMITT

Bald wird in der Türkei ein neuer Präsident bestimmt. Auch etwa 1,4 Millionen Türken in Deutschlan­d werden an die Wahlurnen gerufen.

BERLIN/ANKARA Gegen Schimpftir­aden des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan war man in Berlin eigentlich schon abgehärtet. Aber was er und die türkische Regierung in den zwei Monaten vor dem Verfassung­sreferendu­m in der Türkei im April 2017 so alles von sich gaben, war aus deutscher Sicht dann doch weit unter der Gürtellini­e. Der Grund waren Verbote von Wahlkampfv­eranstaltu­ngen türkischer Politiker in Deutschlan­d, die auf kommunaler Ebene wegen Sicherheit­sbedenken ausgesproc­hen wurden. Es war der Tiefpunkt in der deutsch-türkischen Beziehungs­krise.

Jetzt gibt es wieder einen Wahltermin. Erdogan hat überrasche­nd vorgeschla­gen, das Parlament und den Präsidente­n am 24. Juni wählen zu lassen – viele Monate früher als geplant. In Deutschlan­d geht schon Letzt die Debatte los, ob der Wahlkampfs­treit von vorn beginnt.

„Bei anstehende­n Wahlen in der Türkei muss der Wahlkampf dort geführt werden und nicht bei uns in Deutschlan­d“, betont CDU-Generalsek­retärin Annegret KrampKarre­nbauer. „Wir wollen in unseren Städten keine innertürki­schen Konflikte.“

Eigentlich erübrigen sich solche RuMerungen inzwischen. Denn die Rechtslage wurde von der Bundesregi­erung als Reaktion auf den Streit um das Verfassung­sreferendu­m geändert: Wahlkampfa­uftritte von Amtsträger­n aus Nicht-EU-Staaten sind drei Monate vor Wahlen oder Abstimmung­en in ihrem Land nun grundsätzl­ich verboten.

Die Türkei ist nicht Mitglied der EU. Der geplante Wahltermin ist in gut zwei Monaten. Damit ist klar: Allen türkischen Regierungs­mitglieder­n sind Wahlkampfa­uftritte in Deutschlan­d bis zum anvisierte­n Wahltermin grundsätzl­ich verboten.

Was macht Erdogan nun mit diesem Verbot? Akzeptiert er es? Wird er sich wieder lautstark und mit scharfen Worten darüber beschweren? Für den Grünen-Politiker Cem Pzdemir ist die Sache klar: „Er (Erdogan) hat ein Interesse daran, dass es zu einer permanente­n Eskalation kommt“, sagt er am Donnerstag.

Von türkischer Seite kommen allerdings versöhnlic­he Signale. Der Abgeordnet­e von Erdogans AKP-Partei, Mustafa Neneroglu, sagt: „Wir haben kein Interesse daran, dass die deutsch-türkischen Beziehunge­n noch mal unter Druck geraten oder innertürki­sche Konflikte nach Deutschlan­d getragen werden.“

Nach der Regierungs­bildung war eigentlich für Mai ein Deutschlan­d-Besuch Erdogans erwartet worden. Im Wahlkampf wird er aber kaum hierher kommen können, ohne vor seinen Landsleute­n zu sprechen. Das würde ihm innenpolit­isch schaden. Und auch Merkel wird Erdogan kaum im Wahlkampf empfangen wollen. 2015 war ihr wegen eines Türkei-Besuchs kurz vor der damaligen Wahl Hilfe für Erdogan vorgeworfe­n worden. Kaum vorstellba­r, dass sie sich diesem Vorwurf erneut aussetzen will.

Newspapers in German

Newspapers from Germany