Sorge vor Erdogan% Schimpftiraden
Auftrittsverbote gelten weiter – Geht der deutsch-türkische Streit von vorn los?
Bald wird in der Türkei ein neuer Präsident bestimmt. Auch etwa 1,4 Millionen Türken in Deutschland werden an die Wahlurnen gerufen.
BERLIN/ANKARA Gegen Schimpftiraden des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan war man in Berlin eigentlich schon abgehärtet. Aber was er und die türkische Regierung in den zwei Monaten vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei im April 2017 so alles von sich gaben, war aus deutscher Sicht dann doch weit unter der Gürtellinie. Der Grund waren Verbote von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker in Deutschland, die auf kommunaler Ebene wegen Sicherheitsbedenken ausgesprochen wurden. Es war der Tiefpunkt in der deutsch-türkischen Beziehungskrise.
Jetzt gibt es wieder einen Wahltermin. Erdogan hat überraschend vorgeschlagen, das Parlament und den Präsidenten am 24. Juni wählen zu lassen – viele Monate früher als geplant. In Deutschland geht schon Letzt die Debatte los, ob der Wahlkampfstreit von vorn beginnt.
„Bei anstehenden Wahlen in der Türkei muss der Wahlkampf dort geführt werden und nicht bei uns in Deutschland“, betont CDU-Generalsekretärin Annegret KrampKarrenbauer. „Wir wollen in unseren Städten keine innertürkischen Konflikte.“
Eigentlich erübrigen sich solche RuMerungen inzwischen. Denn die Rechtslage wurde von der Bundesregierung als Reaktion auf den Streit um das Verfassungsreferendum geändert: Wahlkampfauftritte von Amtsträgern aus Nicht-EU-Staaten sind drei Monate vor Wahlen oder Abstimmungen in ihrem Land nun grundsätzlich verboten.
Die Türkei ist nicht Mitglied der EU. Der geplante Wahltermin ist in gut zwei Monaten. Damit ist klar: Allen türkischen Regierungsmitgliedern sind Wahlkampfauftritte in Deutschland bis zum anvisierten Wahltermin grundsätzlich verboten.
Was macht Erdogan nun mit diesem Verbot? Akzeptiert er es? Wird er sich wieder lautstark und mit scharfen Worten darüber beschweren? Für den Grünen-Politiker Cem Pzdemir ist die Sache klar: „Er (Erdogan) hat ein Interesse daran, dass es zu einer permanenten Eskalation kommt“, sagt er am Donnerstag.
Von türkischer Seite kommen allerdings versöhnliche Signale. Der Abgeordnete von Erdogans AKP-Partei, Mustafa Neneroglu, sagt: „Wir haben kein Interesse daran, dass die deutsch-türkischen Beziehungen noch mal unter Druck geraten oder innertürkische Konflikte nach Deutschland getragen werden.“
Nach der Regierungsbildung war eigentlich für Mai ein Deutschland-Besuch Erdogans erwartet worden. Im Wahlkampf wird er aber kaum hierher kommen können, ohne vor seinen Landsleuten zu sprechen. Das würde ihm innenpolitisch schaden. Und auch Merkel wird Erdogan kaum im Wahlkampf empfangen wollen. 2015 war ihr wegen eines Türkei-Besuchs kurz vor der damaligen Wahl Hilfe für Erdogan vorgeworfen worden. Kaum vorstellbar, dass sie sich diesem Vorwurf erneut aussetzen will.