Nordwest-Zeitung

„Nebulöse Flecken bleiben“

Terrorismu­sforscher Kraushaar zur Auflösung der RAF vor 20 Jahren

- VON HANS BEGEROW

6RAGE: Vor 20 Jahren hat die RAF ihre Auflösung bekanntgeg­eben. Mancher hat gedacht: Jetzt ist der Spuk 'orbei. Ist der Spuk Ihrer Ansicht nach (irklich 'orbei) KRAUSHAAR: Ja, ich glaube schon. Denn es gibt keine zwingende Argumentat­ion für eine gegenteili­ge Annahme. Zwar ist in den vergangene­n 20 Jahren immer mal wieder geunkt worden, dass sich eine vierte RAF-Generation auf den Weg machen wird. Aber das ist immer im Bereich der Spekulatio­nen geblieben. Was sich in den vergangene­n Jahren im Bereich der Linksauton­omen abgespielt hat, ist – allen Spekulatio­nen zum Trotz – unterhalb der Schwelle des Terrorismu­s geblieben. Ich gehe davon, dass es das gewesen ist, was am 20. April 1998 verkündet worden ist: Nämlich dass die RAF aufgehört hat zu existieren. 6RAGE: *as *atum hat +a noch eine andere Bedeutung. KRAUSHAAR: Ja, auch das Datum hatte Spekulatio­nen ausgelöst. Der frühere BKAPräside­nt Horst Herold hatte starke Bedenken geäußert, dergestalt dass eine geschichts­bewusste Gruppe wie die RAF unmöglich auf die Idee gekommen sein könnte, ihre Auflösung an Hitlers Geburtstag bekanntzug­eben. Ich glaube, dass das Datum eher Zufall war. Die RAF-Mitglieder haben das untereinan­der abgestimmt. Es gab verschieei­n dene Fraktionen, die sich völlig uneins waren. Auf der einen Seite gab es jemanden wie Karl-Heinz Dellwo, der sich nach 20 Jahren Haft auf freiem Fuß befand und der den Kurs verfolgte, die RAF aufzulösen. Und es gab eine Widersache­rin aus der zweiten Generation der RAF in Gestalt von Brigitte Mohnhaupt. Ich gehe davon aus, dass sie überstimmt wurde und das akzeptiere­n musste. Es gibt jedenfalls keinerlei Anzeichen dafür, dass sie dem zugestimmt hätte. 6RAGE: -elcher Ideologie hingen die Mitglieder der dritten RAF-1eneration an) KRAUSHAAR: Es hat in der Tat eine eigene Ideologie in der dritten Generation gegeben, die sich unterschie­d von den Ideologien der ersten und zweiten Generation. Und zwar war das die des Anti-Imperialis­mus. Es hatte in den ersten beiden RAF-Generation­en zwar auch eine Ausrichtun­g auf internatio­nal agierende Konzerne gegeben, aber nicht in der Ausschließ­lichkeit

wie in der dritten: Exponenten des vermeintli­ch militärisc­h-industriel­len Komplexes zu liquidiere­n. Und das hat die dritte Generation ja getan … 6RAGE: 2 die hat sehr im Verborgene­n agiert/ man (ei, +a sehr (enig 3ber die dritte 1eneration. KRAUSHAAR: Das ist zutreffend. Man kann auch sagen, dass die tendenziel­le Ungreifbar­keit der Täter auf der Seite ihrer Anhänger ein regelrecht­es Frohlocken ausgelöst hat. Und da gibt es in bestimmten Kreisen immer noch Beifall zu hören, dass die sich der Ergreifung entziehen konnten. Es gibt allerdings zwei Aktivistin­nen der dritten Generation, die man hat verhaften und aburteilen können: Birgit Hogefeld und Eva Haule-Frimpong. Letztlich liegt aber immer noch ein dichter Nebel über der von 1985 bis 1991 verübten Mordserie, die mit Namen wie Zimmermann, Beckurts, von Braunmühl, Herrhausen oder Rohwedder verbunden ist. Mir scheint das ganz großes Defizit zu sein, dass die Ermittler nach zum Teil schon über 30 Jahren in dieser Hinsicht keinen Schritt weitergeko­mmen sind. Das ist schon ein äußerst problemati­sches Zeichen, dass die Justiz und der Rechtsstaa­t insgesamt nicht dazu in der Lage gewesen sind, das aufzukläre­n. 6RAGE: *rei ehemalige Mitglieder der RAF sind auf freiem Fu, und (erden mit Raubdelikt­en in Verbindung gebracht. -as könnten die noch zur Aufkl.rung 'on Straftaten beitragen/ (enn man sie fasst) KRAUSHAAR: Ich gehe nicht davon aus, dass sie aussagen werden, sofern man ihrer tatsächlic­h habhaft werden sollte. Es ist schon erstaunlic­h, dass sie sich so lange einer Verhaftung entziehen konnten. Aus dem Prozess gegen das RAF-Mitglied Verena Becker wegen der Ermordung des Generalbun­desanwalts Siegfried Buback weiß man, wie die ehemaligen RAF-Kader im Zweifelsfa­ll dichthalte­n können. Ich nehme an, dass das bei Klette, Garweg und Staub nicht anders sein wird. Man muss jedenfalls damit rechnen, dass es keine wirklichen Beiträge zur Aufklärung von Straftaten geben wird. 6RAGE: Also ein abgeschlos­senes 0apitel der bundesdeut­schen 1eschichte mit einigen nebulösen Flecken) KRAUSHAAR: Ja, die wird es leider wohl auch weiterhin geben.

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