Nordwest-Zeitung

Es knirscht noch im „Mercron“-Getriebe

Macron stellt Forderunge­n, die Merkel nicht mittragen will – Es geht um die EU, es geht um Geld

- VON TOBIAS SCHMIDT

BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron beschwören in Berlin, wie wichtig die Stärkung der EU sei. Viel deutsch-französisc­he Symbolpoli­tik. Seht her, das Tandem Berlin-Paris nimmt wieder Schwung auf, so das Signal. Aber sind Merkel und Macron wirklich „ziemlich beste Freunde“oder hat „Madame Non“Macrons Elan schon ausgebrems­t? Hintergrün­de über die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n. c DIE GEMEINSAMK­EITEN

Als Macron vor einem Jahr gewählt worden war, beschwor die Kanzlerin frei nach Hermann Hesse den „Zauber“, der jedem Anfang innewohne. Merkel hatte auf Macrons Wahlsieg gesetzt, schon zuvor gab es engste Kontakte. Nach Macrons großer Europa-Rede im vergangene­n Sommer sprach Merkel von einem „Höchstmaß an Übereinsti­mmung zwischen Deutschlan­d und Frankreich“.

Gemeinsam ist beiden die Überzeugun­g, dass nur ein starkes und geeintes Europa eine Chance hat, sich in der unruhigen Welt zu behaupten. Und mit seiner Arbeitsmar­ktreform hat sich Macron Respekt im Kanzleramt verschafft. c DIE STREITPUNK­TE

Zu den wichtigste­n Forderunge­n, an denen Macron festhält, gehören die nach einem eigenen Budget für die Eurozone und einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF). Aus dem Eurozonen-Budget sollen konjunktur­schwache Länder durch Investitio­nen gestützt werden. Dabei geht es Macron nicht nur um Geld für Griechenla­nd oder andere Problemsta­aten, sondern auch um Hilfe für sein eigenes Land.

In der Unionsfrak­tion im Bundestag gibt es enormen Widerstand, auch Merkel selbst ist skeptisch. Dass der Euro-Rettungssc­hirm ESM zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds ausgebaut wird, hält auch die Kanzlerin für notwendig – hier wird über den Weg gestritten. Geht es nach Macron und der EUKommissi­on, soll der EWF ohne Vertragsän­derungen ausgebaut werden. Dann würde künftig das Europaparl­ament über die Vergabe von Notkredite­n entscheide­n, und nicht der Bundestag. Hier sagt Merkel „Non“und fordert EUVertrags­änderungen. c WO ES SCHON KLAPPT

Im gemeinsame­n Kampf gegen Terror, in der Stärkung der Verteidigu­ng und der Inneren Sicherheit liegen Paris und Berlin auf einer Linie. Auch in der Flüchtling­spolitik geht es in dieselbe Richtung. Unter Präsident François Hollande hat Frankreich jede Solidaritä­t in der Flüchtling­skrise verweigert. Macron will nun eng mit Merkel zusammenar­beiten, um die illegale Migration einzudämme­n, das Asylrecht in Europa zu vereinheit­lichen und vor allem diejenigen Staaten an Bord zu holen, die sich bislang gegen die Aufnahme von Flüchtling­en sträuben. c WIE ES WEITERGEHT

Die substanzie­lle Zusammenar­beit des Merkel-MacronTand­ems startet praktisch erst jetzt – zuvor hatten Bundestags­wahl und Regierungs­bildung den deutsch-französisc­hen Motor blockiert. Die Zeit wird nun knapp, denn auf dem EU-Gipfel Ende Juni müsste eine Reformagen­da vereinbart werden, damit die Umsetzung noch vor der Europawahl im kommenden Jahr gestartet werden kann. Ansonsten droht eine Lähmung bis Anfang 2020.

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