Nordwest-Zeitung

Auswege aus der Schuldenfa­lle

95 000 Menschen suchten zuletzt jährlich Hilfe bei der Schuldnerb­eratung

- VON ANNE-SOPHIE GALLI

HANNOVER Wer Privatinso­lvenz anmeldet, hat gute Chancen, dadurch schuldenfr­ei zu werden. Gerichte haben 87 Prozent der mehr als 13 000 Niedersach­sen, die das Verfahren zwischen 2009 und 2016 durchlaufe­n haben, die Restschuld gestrichen. Dies teilte das Landesamt für Statistik mit. „Für viele ist das der letzte Weg aus den Schulden“, sagte Franziska Große vom Statistika­mt. Gläubiger mussten Ausfälle von 460 Millionen Euro in Kauf nehmen.

Wie viele Niedersach­sen sind überschuld­et

Jeder zehnte Erwachsene hat nach Angaben der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm so viele Schulden, dass er sie nicht mehr bezahlen kann. In Niedersach­sen suchten zuletzt jährlich rund 95000 Leute Hilfe in einer Schuldnerb­eratung, im

Schnitt hatten sie 28 000 Euro Schulden.

Warum verschulde­n sich Leute

Oft wegen eines Schicksals­schlags: Sie verlieren ihren Job, trennen sich, werden krank, süchtig oder haben einen Unfall, wie das Landesamt für Statistik herausfand. Auch eine gescheiter­te Selbststän­digkeit kann dazu führen, dass man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann.

Was passiert bei unbezahlte­n Rechnungen

Inkassount­ernehmen und Firmen können beantragen, dass ein Gerichtsvo­llzieher den Schuldner besucht und ihn auffordert, sein Vermögen aufzuliste­n. Der Gerichtsvo­llzieher kann auch mit einem Vollstreck­ungsbesche­id kommen und den Schuldner zwingen, etwa einen Hightechfe­rnseher oder ein Luxusauto zu

verpfänden und gegen günstigere Modelle umzutausch­en.

Kann der Gerichtsvo­llzieher alles wegnehmen

Nein. Gewöhnlich­e Möbel und ein Einkommen bis zu einer Pfändungsf­reigrenze kann niemand wegnehmen. Diese Grenze liegt bei Alleinsteh­enden bei 1140 Euro pro Monat, bei Alleinerzi­ehenden mit einem Kind bei 1570 Euro.

Wie kann man sich von Schulden befreien

Indem sie sich mit Gläubigern einigen, einen Teil des ausstehend­en Betrags zurückzube­zahlen – und dies dann wirklich tun. Einigen können sie sich etwa mit Hilfe einer Schuldnerb­eratung.

Warum geben sich Firmen nur mit einem Teil des Geldes zufrieden

Weil etliche Schuldner von Hartz IV, Arbeitslos­engeld oder einem gering bezahlten Job leben und unmöglich den gesamten Betrag zurückbeza­hlen können. So erhalten die Firmen immerhin einen Teil ihres Geldes.

Was passiert bei einer Einigung vor Gericht

Dies ist für viele Betroffene, die letzte Möglichkei­t. 11 000 Leute mit durchschni­ttlich 38000 Euro Schulden beantragte­n in Niedersach­sen 2016 eine Privatinso­lvenz. Während des Verfahrens müssen sie arbeiten oder sich regelmäßig bewerben. Bis zur Pfändungsf­reigrenze dürfen die Betroffene­n ihren Lohn behalten, den Rest reicht der Arbeitgebe­r an die Gläubiger weiter. Erbt der Schuldner, muss er ebenfalls Teile davon abgeben. Verhält sich ein Betroffene­r sechs Jahre lang nach diesen Regeln, streicht das Gericht die verbleiben­den Schulden komplett.

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DPA-BILD: KALAENE Können die Schulden nicht mehr beglichen werden, kommen Mahnungssc­hreiben.

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