Bine Metropole soll wieder glänzen
Mamoun Fansa, früher Museumsdirektor in Oldenburg, plant Wiederaufbau von Aleppo
Der 71-jährige Fansa hat Pläne für Aleppo, die Perle des Orients. – Porträt eines gebürtigen =yrers und einstigen Flüchtlings.
OLDENBURG/BERLIN Das Ganze ist eine Vision, stellt Mamoun Fansa gleich klar: „Im Augenblick können wir nur den Wiederaufbau des völlig zerstörten Aleppo planen – und zwar vom Ausland aus.“Der 71-Jährige darf nicht in die syrische Metropole reisen – er gilt als Staatsfeind: „Ich stehe auf der schwarzen Liste“.
Das Regime und die Islamisten macht er verantwortlich für die Zerstörung der wunderbaren Stadt. Fansa hat keine Chance, direkt in Aleppo zu agieren. Was er trotzdem macht? Er wartet auf bessere Zeiten. Dann will er, inzwischen als 1. Vorsitzender des Vereins „Freunde der Altstadt von Aleppo“, vorbereitet sein.
Fansa lebt in Berlin. Nun hat er erstmals ein Thesenpapier zum Wiederaufbau seiner Heimatstadt entwickelt (siehe Online-Hinweis am Ende des Textes). Fansa ist ein Mann zwischen zwei Kulturen. Jahrzehnte leitete er das Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg. „Purer Zufall war das“, betont er bis heute, dass er einst überhaupt nach Deutschland gekommen sei. „Man versucht eben, dahin zu gehen, wo man jemand kennt.“
Dahin – das war damals, als er aus Syrien floh, Deutschland. Und der Jemand war sein Bruder. So kam es, dass
Fansa, über Jahre rühriger Direktor des Landesmuseums, anerkannter Archäologe, vielfacher Buchautor, Chef der europäischen Vereinigung für Experimentelle Archäologie und Honorarprofessor der Uni Oldenburg, 1967 zufällig nach Deutschland kam.
Flucht aus Syrien
Irgendwann hatte Fansa als blutjunger Mensch mit ansehen müssen, wie sie einen Mann auf einem Platz in seiner Heimatstadt Aleppo aufgehängt haben. Das Bild brannte sich in sein Gedächtnis. Fansa wollte nicht länger im Polizeistaat leben. „Der Sechstagekrieg endete am 10. Juni 1967. Ein paar Tage darauf sollte ich eingezogen werden. Da wusste ich: Ich muss da raus“, erzählte er mal eindringlich.
Seine Mutter billigte den Plan, sie weinte im Stillen, ließ den 20-Jährigen ziehen. Prompt tauchte bei den Eltern die Geheimpolizei auf, fragte nach Mamoun Fansas neuer Adresse. „Ich wurde in Abwesenheit zu sechs Monaten
Einzelhaft und 20 000 syrischen Pfund verurteilt. 1988 habe ich mich für umgerechnet 5000 Dollar freigekauft“, berichtet er in seiner offenen Art. Er hatte damals seinen Frieden mit Syrien geschlossen. Soweit man mit einer Diktatur Frieden schließen konnte.
Fansa floh 1967 über die türkisch-syrische Grenze, im Gepäck die gefälschte Ausreisegenehmigung. Die Bagdadbahn, der er später in Ausstellungen huldigte, trug ihn nach Istanbul. Dort saß er auf der asiatischen Seite der Metropole im Bahnhof fest, schlief die Nacht auf einer Holzbank. Bis dem jungen Tropf jemand sagte, dass nur auf der anderen Seite des Bosporus der Bahnhof für Züge nach Westdeutschland ist.
Hat er oft Glück gehabt im Leben? Nein, ihm wurde nie etwas geschenkt. Anders gesagt: Fansa musste sich immer neu beweisen. Sein Studium hat er sich in Hannover selbst finanziert, er lenkte Straßenbahnen. Das brachte Geld für die junge Familie. Als Werklehrer unterrichtete er an der Sonderschule in Lehrte, als Archäologe buddelte er in ganz Niedersachsen.
1980 wurde Fansa eingebürgert. „Es muss Pflichtsprachkurse für Einwanderer geben“, betont Fansa heute. Sein Landesmuseum in Oldenburg pflegte er mit Liebe, Geduld und Energie. In der modernen Dauerausstellung hocken bis heute Kinder mit großen Augen vor einem riesigen Block aus Torf. Wer hätte gedacht, dass ein Syrer einst das heimatlich geprägte Landesmuseum leitet?
„Die haben damals nicht gerade auf mich gewartet“, grummelte es mal in ihm. „Der gehört doch nicht zu unserem Kulturkreis, hat mancher gedacht. Die ersten Jahre waren hart.“
Kein Disneyland
Aber Fansa ließ nie locker. Immer hat man bei ihm das Gefühl, dass er der Erste, der Beste sein will. Warum das so ist? „Weil man“, erläutern 160 Zentimeter Dynamik, „als gebürtiger Ausländer immer zeigen muss, dass man ein wenig besser ist als die Deutschen.“Zum Spaß wedelt der Mann mit dem Kämpferherzen mit
seinem deutschen Pass. Zwei Söhne hat er, der eine ist Chirurg, der andere Bibliothekar. Der Bibliothekar wurde in Germanistik promoviert: „Er hat mich in Sachen Integration überholt.“
Gleich nach seiner Pensionierung 2011 ist Fansa mit seiner Frau Hayfa nach Berlin gezogen. Dort kümmert er sich um syrische Flüchtlinge und genießt das Kulturleben. Vor allem engagiert er sich für den Wiederaufbau des zerstörten Aleppo. Da hat er nun genaue Vorstellungen entwickelt für die vom Regime befriedete Stadt. „Alle paar Monate kommen wir zusammen, wir Kenner von Aleppo“, erzählt Fansa, „dann sprechen wir über den Wiederaufbau.“
Unterstützt wird die Gruppe von der Bundesregierung – die warnt aber: Solange Machthaber Assad seine Bevölkerung terrorisiert, wird es keine EU-Gelder geben. Planen in den leeren Raum?
Fansa verneint: „Ohne Konzept macht jeder, was er will in Aleppo“, ärgert er sich. Dabei denkt er an das libanesische Beirut, das nach dem Bürgerkrieg wieder aufgebaut wurde – aber in schrecklicher Form: „Wie Disneyland! Alles platt und bunt gemacht!“Dies will er für Aleppo vermeiden.
Theoretisch könnte man Aleppo, die Stadt mit herrlichem Basar und wunderbarer Zitadelle, eins zu eins wieder aufbauen, denn deutsche Forscher waren lange vorm Krieg in Syrien aktiv. Aber mit wem soll der Aufbau überhaupt passieren? Die eigentliche Bevölkerung wurde fast ganz vertrieben.
Es gibt viel zu bedenken, seufzt Fansa.
P@ Infos zum Wiederaufbau unter: www.mamoun-fansa.de