Nordwest-Zeitung

Der Herr der schwarzen Scheiben

Wie Heinz-Günther Hartig zu mehr als 30 000 Schallplat­ten gekommen ist

- VON ROBERT OTTO-MOO@

Bei 25 000 Platten hat Hartig aufgehört zu zählen – vor 20 Jahren. Und auf eine ganz 9estimmte hat er es noch a9gesehen.

OLDENBURG Es gibt Dinge, die haben einen einzigarti­gen Geruch – alte Bücher zum Beispiel oder Schallplat­ten. Wer Heinz-Günther Hartigs Arbeitszim­mer betritt, riecht es sofort: das Papier von mehr als 30 000 Plattencov­ern. „Ich habe vor 20 Jahren aufgehört zu zählen“, sagt der 66-Jährige. „Da waren es 25000.“In seinem Haus in Osternburg stehen Zehntausen­de Singles und ähnlich viele LPs. Fast alle aus den 50er und 60er Jahren.

Es knistert leise, als Hartig die Nadel auf eine Single legt. Auf das Knistern folgt das Gitarrenri­ff von Black Sabbath’ „Paranoid“. „Nebel zieht in dichten Schwaden übers Moor von Forrest Hill“, dröhnt allerdings aus den Boxen. „Cindy und Bert“, erklärt Hartig. „Die hat damals keiner gekauft.“Heute ist sie eine der meistgesuc­hten Schlagerpl­atten. „Unter 100 Euro geht da nichts.“Nur was für echte Sammler eben. Aber wie wird man eigentlich zu einem?

Der Anfang

In einer Zeit, in der im Radio vor allem Freddie Quinn und Peter Alexander liefen, entdeckte Hartig seine Liebe zum Rock’n’Roll. „Ich hatte einen zehn Jahre älteren Bruder“, erinnert er sich. „Der hat mir

Buddy Holly gezeigt. Das hat mich nicht mehr losgelasse­n.“„Peggy Sue“hörte Hartig rauf und runter, heute hat er die Platte in der deutschen Pressung, der neuseeländ­ischen, der amerikanis­chen. „Eigentlich in jeder“, sagt er.

Als Buddy Holly 1959 starb, war Hartig sieben Jahre alt. „Ich habe mir gesagt, dass ich irgendwann sein Grab besuchen will“, erinnert er sich. Zweimal war er inzwischen in Texas und hat sogar Buddy Hollys Witwe getroffen.

Die Erste

Hartigs erste selbstgeka­ufte Platte kam auch von Buddy Holly: „Reminiscin­g“. „Die habe ich 1963 im Kaufhaus Merkur gekauft – für 4,75 Mark.“Den Weg zum Schlosspla­tz schlug

Hartig noch öfter ein: Bei fünf Mark Taschengel­d war alle drei Monate eine Single drin. Seine erste LP, „Surfin’ USA“von den Beachboys (1963), kostete sogar 18 Mark. „Da musste ich lange für sparen.“Ein bescheiden­er Start.

Die Ehefrau

„Die meisten Sammler sind irgendwann geschieden“, sagt Hartig. Seine Frau Waltraud Dröge ist aber nicht weggelaufe­n – trotz seiner tonnenschw­eren Sammel-Leidenscha­ft. Seit 37 Jahren sind sie zusammen, 21 davon verheirate­t. Sie hilft bei seinem „Rock’n’Roll Musikmagaz­in“, auch wenn Rock’n’Roll nicht ihr Ding ist. Sie habe sich an sein „spezielles Hobby“gewöhnt, sagt Hartig und lacht.

Die Ordnung

Wie sortiert man mehr als 30000 Schallplat­ten? „Nach Label“, sagt Hartig. Und nach Interprete­n. Und nach Genres. Das klingt komplizier­t – ist es auch. Zumindest für Außenstehe­nde. Am Ende weiß nur Hartig, wo welche Platte steht. „Das habe ich alles im Kopf.“

Die „Blaue Mauritius“

Eigentlich hat Hartig alles, was er braucht. „Da kommen nicht mehr viele Platten dazu“, sagt er. Aber die, die er gern noch haben würde, „die wollen alle haben“, sagt er. Ähnlich wie bei Briefmarke­nsammlern die extrem seltene „Blaue Mauri-

tius“. Hartigs „Blaue Mauritius“ist eine EP von Elvis Presley – „Elvis Sails“. Die hat er zwar schon, doch es gibt sie noch mit einem anderen Foto des „King of Rock’n’Roll“. „Die habe ich noch nie im Handel gesehen“, sagt Hartig, der den Wert der Platte auf mehr als 3000 Euro schätzt. „Das“, sagt er, „wäre mir zu viel.“Selbst für seine „Blaue Mauritius“.

Der Plattenlad­en

Jahre nach Merkur kam Scheibenkl­eister. Der Plattenlad­en an der Donnerschw­eer Straße ist für ihn ein guter Ort, um mit anderen zu reden – natürlich über Platten. „Ich war aber länger nicht da“, sagt er. Er sucht noch auf Flohmärkte­n, Plattenbör­sen und im Internet. Schließlic­h gibt es nicht mehr viel, was Hartig braucht. Und wie im Plattenlad­en riecht es schließlic­h auch bei ihm zuhause.

Das Ende

Ob er irgendwann genug hat? „Nö, das geht immer so weiter“, sagt der gelernte Buchdrucke­r und nennt ein Beispiel. „Davon gibt es 400“, sagt er und zeigt auf eine Reihe Bücher. Alles Erstausgab­en. Als ihm vor Jahren nur noch 30 fehlten, bot ihm jemand genau diese Exemplare an, der Preis stimmte. „Aber ich habe mich gefragt, was kommt, wenn ich alle habe“, sagt Hartig. „Also habe ich abgelehnt und selbst die Sammlung vollgemach­t.“Beim Sammeln macht eben vor allem die Jagd Spaß. Und die geht immer weiter.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Hat den Überblick: Heinz-@ünther Hartig weiß, wo er bestimmte Platten in seiner Sammlung findet – außer ihm schafft das aber niemand.
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BILDER: TORSTEN VON REEKEN Schwarzes @old: Die zweite Ausgabe von „Elvis Sails“(linkes Bild) will Hartig noch haben. Die „Reminiscin­g“von Buddy Holly hat er schon – seit 1963.
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