Wahlschlappe für Nahles
Neue SPD-Vorsitzende erhält nur 66,35 Prozent der Stimmen
Das Aufbruchsignal blieb aus. Andrea Nahles musste eine schwere Schlappe hinnehmen.
WIESBADEN/BERLIN Schwerer Dämpfer beim geplanten Neustart: Die SPD hat Andrea Nahles mit einem Ergebnis von nur 66,35 Prozent zur ersten Parteichefin gewählt. „Das ist noch ausbaufähig“, sagte die 47-Jährige zum Zusammenhalt in der Partei nach ihrer Wahl am Sonntag bei einem Sonderparteitag in Wiesbaden. Nahles’ wenig prominente Gegenkandidatin, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, erhielt überraschend starke 27,6 Prozent. „Wir sollten uns
unterhaken“, sagte Nahles. In der SPD hatte es zuletzt heftige Auseinandersetzungen wegen des Eintritts in die erneute Große Koalition mit der Union gegeben, die Nahles mitausgehandelt hatte.
Nahles ist die erste Chefin in der knapp 155-jährigen Parteigeschichte. Sie folgt auf Martin Schulz, der nach dem erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen wegen
mangelnden Rückhalts zurückgetreten war. Er rief die SPD dazu auf, weniger zu streiten.
Die SPD war bei der Bundestagswahl 2017 unter ihrem damaligen Chef Schulz auf ein Tief von 20,5 Prozent der Stimmen gesackt. Die Partei schloss zunächst eine große Koalition aus, nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen änderte die Par- teispitze die Meinung. Nahles ist auch Vorsitzende der Bundestagsfraktion und ist bewusst nicht in die Regierung gegangen, um an der Spitze von Partei und Fraktion das SPD-Profil zu schärfen. „Wir packen das“, sagte sie in Wiesbaden. Die erste Wahl einer Frau an die SPD-Spitze sei historisch. „Viele Frauen kennen diese komische gläserne Decke, an die man immer wieder stößt.“
Als Ziele für die kommende Zeit kündigte sie unter anderem an, den digitalen Kapitalismus zu bändigen und Internetkonzerne mehr zur Kasse zu bitten. Beim großen internen Streitthema Hartz IV sagte sie eine offene Debatte über Reformen zu.
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