Nordwest-Zeitung

Späte Einsicht

- VON HERMANN GRÖBLINGHO­FF

Klare Kante zeigen. Das hatte sich Jens Spahn offenbar vorgenomme­n, als er ins neue Kabinett von Angela Merkel berufen worden war. Schließlic­h galt es, den Ruf als konservati­ver Hoffnungst­räger zu festigen und auszubauen. Doch mit seiner Behauptung, Hartz IV bedeute nicht Armut, hatte er die tatsächlic­he Lage vieler Bezieher dieser staatliche­n Leistung falsch eingeschät­zt. Denn auch wenn mit Hartz IV niemand Hunger leiden muss, reicht es eben doch nur für das Nötigste. Und von vielen Dingen – wie Kino, Essen gehen, Ausflüge – bleiben Hartz-IV-Bezieher oft ausgeschlo­ssen, weil sie sich schlicht und einfach auch kleinen Luxus nur schwer leisten können.

Spahn hat mittlerwei­le offenbar eingesehen, dass das Thema Hartz IV für provokante Äußerungen völlig ungeeignet ist. Genau deshalb wählte er am Sonntag für das Treffen mit seiner Kritikerin Sandra Schlensog nicht die ganz große Bühne, sondern hörte sich die Sorgen der 40Jährigen in privater Atmosphäre an und verzichtet­e anschließe­nd auf einen öffentlich­en Kommentar. Das war sehr honorig.

Dass Spahn einen Hartz-IV-Selbstvers­uch ablehnt, ist absolut verständli­ch. Mit welchen Problemen Hartz-IV-Bezieher zu kämpfen haben, lässt sich nicht in einem Monat realistisc­h nachempfin­den. Es wäre wohl nur ein großer Show-Effekt, der dabei herauskomm­en würde. Doch für eine Show ist das Thema zu ernst.

@ Den Autor erreichen Sie unter Groeblingh­off@infoautor.de

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