Späte Einsicht
Klare Kante zeigen. Das hatte sich Jens Spahn offenbar vorgenommen, als er ins neue Kabinett von Angela Merkel berufen worden war. Schließlich galt es, den Ruf als konservativer Hoffnungsträger zu festigen und auszubauen. Doch mit seiner Behauptung, Hartz IV bedeute nicht Armut, hatte er die tatsächliche Lage vieler Bezieher dieser staatlichen Leistung falsch eingeschätzt. Denn auch wenn mit Hartz IV niemand Hunger leiden muss, reicht es eben doch nur für das Nötigste. Und von vielen Dingen – wie Kino, Essen gehen, Ausflüge – bleiben Hartz-IV-Bezieher oft ausgeschlossen, weil sie sich schlicht und einfach auch kleinen Luxus nur schwer leisten können.
Spahn hat mittlerweile offenbar eingesehen, dass das Thema Hartz IV für provokante Äußerungen völlig ungeeignet ist. Genau deshalb wählte er am Sonntag für das Treffen mit seiner Kritikerin Sandra Schlensog nicht die ganz große Bühne, sondern hörte sich die Sorgen der 40Jährigen in privater Atmosphäre an und verzichtete anschließend auf einen öffentlichen Kommentar. Das war sehr honorig.
Dass Spahn einen Hartz-IV-Selbstversuch ablehnt, ist absolut verständlich. Mit welchen Problemen Hartz-IV-Bezieher zu kämpfen haben, lässt sich nicht in einem Monat realistisch nachempfinden. Es wäre wohl nur ein großer Show-Effekt, der dabei herauskommen würde. Doch für eine Show ist das Thema zu ernst.
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