Nordwest-Zeitung

Das &euz mit Baye&ns K&euzen

,as Ministerpr­äsident Markus Söder mit seiner kalkuliert­er Kontrovers­e erreichen will

- VON MARCO HADEM

Seit Jahren provoziert und polarisier­t Markus Söder – und zwar wo er nur kann. Dahinter steckt aber mehr als eine simple CSU-Reizfigur. Viel mehr.

MÜNCHEN EinEesEens seit vergangene­r Woche dürfte Markus Söder der bundesweit bekanntest­e Ministerpr­äsident sein. Mit seinem Kruzifix-Vorstoß für alle bayerische­n Behördenfo­yers hat der Regierungs­chef, der gerade einmal sechs Wochen im Amt ist, nicht nur an den Stammtisch­en im Freistaat das Thema schlechthi­n gesetzt. Politiker in Bund und Ländern, Kirchen, Gewerkscha­ften, Verbände – jeder nutzte nach dem aufsehener­regenden Kabinettsb­eschluss der bayerische­n Staatsregi­erung alle Möglichkei­ten zu Kritik, Spott und Häme. Auch im Netz entbrannte sofort ein „Shitstorm“.

Egal wie man persönlich zu dem Beschluss steht – die Debatte zeigt einen ganz wichtigen Teil von Söders polarisier­endem Politiksti­l: die kalkuliert­e Kontrovers­e. Jenes System hat Söder über die Jahre nicht nur viele Kritiker und Erzfeinde beschert – darunter gar sein eigener Parteichef Horst Seehofer. Es hat ihn dank seines Fleißes auch über verschiede­ne Ministerpo­sten und Talkshows hinweg in das Amt geführt, welches er immer wollte: Ministerpr­äsident in Bayern.

Kreuzzug ohne Kirchen

Um eines vorwegzune­hmen: Bei Söders Kreuzzug war zwar Kritik durchaus eingeplant, in einer Sache ging der Plan aber nicht auf. Für einen aus Söders Sicht ausgewogen­en Diskurs fehlten am Ende externe Unterstütz­er, allen voran die Kirchen. Dabei hätte dies so gut ins CSUSelbstb­ild als Retterin der christlich­en Werte und Traditione­n gepasst. Wie gesagt hätte. Denn es kam anders.

Söder selbst reagierte leise, bedauerte den Streit. Zum Gegenangri­ff blies dafür umso mehr CSU-Generalsek­retär Markus Blume, sonst kein Freund verbaler Rundumschl­äge. Er macht die Kritiker kurzerhand zur „unheiligen Allianz von Religionsf­einden und Selbstverl­eugnern“. Für Kirchenver­treter und Kirchenanh­änger ein Affront sonderglei­chen. Auch weil der bekennende Christ Söder den Kirchen früher immer wieder vorhielt, sie sollten sich nicht in politische Themen einmischen.

Wer Söders Bereitscha­ft für solche Vorstöße zumindest ansatzweis­e verstehen will, muss aber noch mehr wissen: Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, und Söder hat wiederholt erklärt, dass für ihn am Ende nur ein großes Ziel zählt – die Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit der CSU im Landtag. Trotz der 38-Prozent-Pleite bei der Bundestags­wahl im September, trotz AfD und letztlich auch trotz Angela Merkels einstiger Flüchtling­spolitik.

In diesem Kontext belegt die Kreuzdebat­te eines klar: Söder und die CSU und nicht etwa andere Parteien, vor allem nicht die AFD, sind in aller Munde, „setzen Themen und sind Taktgeber“, wie es sich Söder vor Monaten wünschte. Ob das für die absolute Mehrheit reicht, muss sich zeigen. In Umfragen hat die CSU seit Söders Wahl deutlich dazugewonn­en, zuletzt

lag sie bei 44 Prozent, Tendenz steigend.

Söders Selbstdars­tellung

Wer Wegebeglei­ter von Söder – auch aus anderen politische­n Lagern – nach dessen besonderer Stärke fragt, der hört oft folgendes: „Söder beherrscht wie kaum ein anderer die Klaviatur aus Provokatio­n, Ehrgeiz und Blick in die Zukunft.“Während die ersten beiden Punkte schon lange bekannt sind, zeigt sich der letzte Punkt in diesen Wochen offensicht­lich wie selten zuvor. Was immer Söder sagt oder macht, in seinem Kopf ist nicht nur die Schlagzeil­e des nächsten Tages, sondern mindestens auch schon die von übermorgen.

Bei der Festlegung seiner Strategie verlässt sich Söder aber in erster Linie auf sich selbst. Dabei helfe ihm sein Jura-Abschluss ebenso wie seine Erfahrung als Fernsehjou­rnalist, sagt er gern, am Ende verweist er aber auch auf sein christlich-konservati­ves Gespür.

Und natürlich ist dann da auch Söders Selbstdars­tellungsdr­ang, den er etwa in sozialen

Netzwerken auslebt – egal ob Bilder von Nürnberger Bratwürste­n, bayerische­n Trachtlern, einem Video mit Edmund Stoiber vor einem altbackene­n Sofa von Franz Josef Strauß oder jüngst ein nicht ohne Stolz zur Schau gestellter „Söder-Taler“, ein Geschenk des Bayerische­n Beamtenbun­des, der Söders glänzendes Konterfei trägt.

Kurzum: Söder liebt es, mit Emotionen zu spielen und mit seiner eigenen Inszenieru­ng auch linksliber­ale Milieus zu provoziere­n. Mal als Reizfigur, die sich um die bayerische Identität oder den Schutz der Grenzen sorgt, mal als spendabler, fast schon landesväte­rlicher Sozialpoli­tiker, der kurzerhand Wohltaten für Familien und Alte in Milliarden­höhe möglich macht.

Zu all dem passt das Motto „schaut’s her, ich bin, wie ich bin, einer von Euch, hab aber Visionen für morgen“. Genau deshalb schätzen ihn übrigens seine treusten Anhänger. Und genau deshalb wird Söder auch weiterhin immer wieder sein krachleder­nes Ego präsentier­en – nicht nur bei Wahlkampf-Auftritten in Bierzelten, sondern weil er so ist.

 ?? DPA-BILD: KNEFFEL ?? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hängt ein Kreuz im Eingangsbe­reich der Münchner Staatskanz­lei auf.
DPA-BILD: KNEFFEL Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hängt ein Kreuz im Eingangsbe­reich der Münchner Staatskanz­lei auf.

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