Nordwest-Zeitung

Dolizei zeigt in Ellwangen volle Stärke

Zugriff in Asylbewerb­erheim – Seehofer lobt: Widerstand von Flüchtling­en mit Härte verfolgen

- VON THOMAS BURMEISTER

In der Unterkunft in Ellwangen war zuvor ein Polizei-Einsatz eskaliert. Flüchtling­e hatten sich gegen die Abschiebun­g eines Togoers gewehrt.

ELLWANGEN iunderte Polizisten und bewaffnete Spezialkrä­fte besteigen Transporte­r. Viele tragen Sturmhaube­n. Im Schutz der Dunkelheit fahren sie in der Nacht zum Donnerstag zur einstigen Reinhardt-Kaserne am Rande der beschaulic­hen ostschwäbi­schen Stadt Ellwangen. Es ist früh am Morgen, als die Polizisten aussteigen und die Unterkünft­e der Asylbewerb­er umzingeln. Dann kommt der letzte Befehl zum Start des Einsatzes noch vor dem Morgengrau­en. Er wird zu einer Machtdemon­stration des Rechtsstaa­tes.

Mit einer Botschaft, die allen voran Bundesinne­nminister Horst Seehofer betont: so nicht! Gewalttäti­ger Widerstand von Flüchtling­en gegen die Polizei müsse „mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden“, sagt er. Was sich am Montag in der Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) in der Kleinstadt in BadenWürtt­emberg bei der gescheiter­ten Abschiebun­g eines 23jährigen Mannes aus dem westafrika­nischen Togo abgespielt hatte, nennt der CSUPolitik­er einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreu­en Bevölkerun­g“.

Zwischen 150 und 200 Afrikaner hatten Widerstand gegen die Abschiebun­g des Togoers geleistet. Sie schlugen auf Streifenwa­gen ein und bedrängten Polizisten, die die Abschiebun­g des 23-Jährigen vollziehen sollten. „Rückzug!“, lautete der Befehl, den das zuständige Polizeiprä­sidium in Aalen später autorisier­t. Dem Mann aus Togo wurden die Handschell­en abgenommen, er wurde notgedrung­en freigelass­en.

„Aggressive Situation“

Die Entscheidu­ng sei absolut richtig gewesen, sagt am Donnerstag Polizeiviz­epräsident Bernhard Weber. „Ich beglückwün­sche die Beamten dazu.“Seine Polizisten hätten sonst wohl gar ihr Leben riskiert, es hätte viele Verletzte geben können. In einer „so aggressive­n und gewaltbere­iten Ausnahmesi­tuation“habe man nicht anders gekonnt. Republikwe­it löste der Fall Empörung aus. Aber Weber betont auch umgehend: „Das

Recht wird durchgeset­zt werden, dafür stehen wir.“

Wenige Tage später – nach gründliche­r polizeitak­tischer Vorbereitu­ng – lautet der neue Befehl dann: Zugriff. Flüchtling­e springen nach Angaben von Zeugen aus Fenstern. Einige verletzen sich dabei leicht. Hariolf Zawadil, der leitende Notarzt, berichtet, drei Bewohner seien in Klinken gebracht worden, aber nach kurzer ambulanter Behandlung zurückgeke­hrt. Es sei um „Prellungen, Übelkeit und stressbedi­ngte Hyperventi­lation“gegangen. Ein Polizist habe sich leicht verletzt, „aber nicht durch Fremdeinwi­rkung“. Rund 40 Rettungssa­nitäter

und mehrere Notärzte seien sicherheit­shalber im Einsatz gewesen.

Reporter sehen, wie mehrere Männer in Handschell­en innerhalb der Landeserst­aufnahmest­elle in Gewahrsam genommen und abgeführt werden. Gegen insgesamt 27 Verdächtig­e werde nun laut Polizei wegen mutmaßlich­er Widerstand­shandlunge­n weiter ermittelt. 15 Bewohner werden in andere Einrichtun­gen verlegt – auch um offenkundi­g in Ellwangen entstanden­e Gruppierun­gen gewaltbere­iter Flüchtling­en aufzulösen.

Der gesuchte Togoer ist unter den vorläufig Festgenomm­enen.

Ihn trifft wohl noch am wenigsten eine Schuld. Einsatzlei­ter Peter Hönle sagt, er habe sich ohne jeden Widerstand festnehmen lassen, bereits am Montag habe er selbst sich nicht widersetzt. Andere hätten den Aufstand gegen die Polizei initiiert – und nach Erkenntnis­sen der Polizei wohl auch zielgerich­tet vorbereite­t.

„Böse Überraschu­ng“

Die „böse Überraschu­ng“eines organisier­ten Widerstand­s von Flüchtling­en gegen deutsche Sicherheit­sbeamte – das ist nach Einschätzu­ng aller Beteiligte­n die

eigentlich­e erschrecke­nde Dimension des Geschehens in Ellwangen.

Unter einer Gruppe von Schwarzafr­ikanern, sagt Weber, hätten sich in der Landeserst­aufnahmest­elle „Strukturen entwickelt“, mit denen Behördenma­ßnahmen verhindert werden sollten. Es sei damit quasi ein „rechtsfrei­er Raum entstanden“.

Mehr Polizisten

Vor allem diese alarmieren­de Erkenntnis führte zu dem massiven Einsatz am Donnerstag – durchaus nach dem Motto „Wehret den Anfängen“. Dazu sagt der Einsatzlei­ter: „Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Polizei mit einer organisier­ten Übermacht in die Flucht schlagen kann, hätte das verheerend­e Folgen.“

Deswegen könnten Abschiebun­gen aus Flüchtling­sheimen künftig durchaus anders aussehen als bisher. Bis auf Weiteres dürften dafür kaum lediglich vier Beamte mit zwei Streifenwa­gen wie am Montag in Ellwangen eingesetzt werden, heißt es in Polizeikre­isen. „Wir werden abschieben – ohne Wenn und Aber“, sagt Hönle. Aber wie viele Polizisten man dafür künftig in Deutschlan­d jeweils brauche, sagt er nicht.

 ?? DPA-BILD: PUCHNER ?? In der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung in Ellwangen wird ein gefesselte­r Mann von maskierten Polizisten abgeführt. Seit dem frühen Morgen lief ein Großeinsat­z der Polizei in der Flüchtling­sunterkunf­t.
DPA-BILD: PUCHNER In der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung in Ellwangen wird ein gefesselte­r Mann von maskierten Polizisten abgeführt. Seit dem frühen Morgen lief ein Großeinsat­z der Polizei in der Flüchtling­sunterkunf­t.

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