Streit um zentrales Flüchtlingszentrum
Innenminister Pistorius (SPD) fordert von Bundesregierung Klarheit – Fallingbostel im Gespräch
Niedersachsen hat einen ganzen Katalog von Fragen. Seehofer muss sich endlich äußern.
HANNOVER Unter dem Eindruck dramatischer Szenen aus einem Flüchtlingslager im baden-württembergischen Ellwangen fordert Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) Klarheit über die zukünftige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. „Ich will von Heimatminister Horst Seehofer endlich hören, was er vorhat“, verlangt Pistorius spätestens beim Treffen im Juni in Quedlinburg eine Unterrichtung der durch den Bund.
Der Streit entzündet sich nach den aufsehenerregenden Bildern aus Ellwangen, wo die Abschiebung eines Togoers durch Polizisten an einer 150-köpfigen Menschenmenge von empörten Flüchtlingen scheiterte. „Wir hatten auch in Niedersachsen die eine oder andere heftige Reaktion“, bestätigt Pistorius Vorgänge in Göttingen, Moormerland (Landkreis Leer) und Osnabrück. Die populistische Forderung aus Kreisen der Polizeigewerkschaft nach sofortiger Abschiebung aller in Ellwangen beteiligten Flüchtlinge, lehnt Pistorius aus juristischen Gründen strikt ab. „Das kann nicht passieren, Länder weil es dafür keine gültige Grundlage gäbe“, betont der Innenminister.
Lieber will Niedersachsens Innenminister Klarheit über die Idee von Bundesinnenminister Seehofer, in allen Bundesländern sogenannte „Ankerzentren“einzurichten. Im Gespräch ist der ehemalige Bundeswehr-Standort in Bad Fallingbostel. Dort sind theoretisch Plätze für 5000 Menschen vorhanden.
„Bisher gibt es dazu keine konkrete Vorlage“, kritisiert Pistorius in Richtung Berlin. Niemand wisse beispielsweise, was Seehofer meine, wenn er von „kleinen Lagern“mit einer Kapazität von 1000 Personen spreche. „Ich bin skeptisch“, verhehlt Pistorius nicht seine großen Bedenken gegen solche Dimensionen. Aber der niedersächsische Fragenkatalog an das Bundesinnenministerium geht noch viel weiter: Welcher Standort wird tatsächlich in Niedersachsen ins Auge gefasst? Ab wann, mit welcher Zuständigkeit, für welchen Zeitraum und mit welchen konkreten Aufgaben und mit welchen Bewohnern? Alles offene Fragen. Auch die Zuständigkeiten und die Aufgaben der Bundespolizei sind keineswegs geklärt.
Ein weiterer Streitpunkt mit der Bundesregierung könnte schon bald das nachlassende Engagement der rotschwarzen Landesregierung betreffen, abgelehnte Asylbewerber und Flüchtlinge so schnell wie möglich abzuschieben oder zur freiwilligen Ausreise zu bewegen. Aktuell befinden sich in Niedersachsen mehr als 5000 abgelehnte Flüchtlinge und rund 16 000 weitere Menschen, die ausreisepflichtig sind. Tatsächlich abgeschoben wurden im vergangenen Jahr aber weniger als 1700. Abschiebungen und freiwillige Ausreisen seien wohl „weniger geworden“, bestätigt das Innenministerium. Pistorius macht dafür auch den Bund verantwortlich: Ein wesentliches Hindernis für Abschiebungen seien fehlende Bundespolizisten für die Begleitung von Flügen, die sich Pistorius auch als kostengünstigere Charterflüge vorstellen könnte.