Nordwest-Zeitung

Kipp-Punkt Kohle

- ANJA KOHL

Europas größter Versichere­r, die Allianz, geht einen Schritt weiter. Er verzichtet ab sofort darauf, Kohlekraft­werke und den Abbau von Kohle zu versichern. Zudem wird die Allianz nicht mehr in Unternehme­n investiere­n, die neue Kohlekraft­werke bauen und damit die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens gefährden. Bis 2040 soll dann endgültig Schluss sein, will die Allianz keinerlei Geschäfte mehr mit der Kohle machen, sich auch aus sämtlichen Kapitalanl­agen in den fossilen Brennstoff zurückzieh­en.

Mit 2 Billionen Euro gehört die Allianz zu den größten Kapitalanl­egern der Welt. Als erster Versichere­r legt sie einen kompletten Kohleausst­iegsplan vor. Schon seit 2015 hat sie begonnen, sich sukzessive aus dem Geschäft mit der Kohle zurückzuzi­ehen. Es ist eine Reaktion auf den wachsenden Druck von Umweltgrup­pen, von denen einigen der jetzige Ausstiegsp­lan nicht schnell genug geht.

Doch die Signalwirk­ung, die vom Allianz-Plan ausgeht, ist nicht zu unterschät­zen. Weltweit sollen mehr als 1500 neue Kohlekraft­werke gebaut oder erneuert werden, ohne Versicheru­ng ist keines davon finanzierb­ar. Natürlich gibt es andere Anbieter als die Allianz, doch die Dekarbonis­ierung schreitet voran. Nicht zuletzt, weil sich auch andere Großinvest­oren von der Kohle verabschie­den: Staatsfond­s wie der aus Norwegen, Pensionsfo­nds, Bundesländ­er und öffentlich­e Einrichtun­gen.

Seit 2015, dem Jahr, in dem das Pariser Klimaabkom­men geschlosse­n wurde, sind die Kohlepreis­e eingebroch­en, die Förderung ist zurückgega­ngen. Ein Dominoeffe­kt. Es greift, zwar nur allmählich, aber doch, das eiserne Gesetz des Kapitalism­us, dass wer nicht wächst, schrumpfen wird. Was sich nicht mehr lohnt, ist irgendwann out.

Um in grenzenlos­en Jubel auszubrech­en, ist es freilich zu früh. Noch steigt der Kohlendiox­id-Ausstoß weltweit. Doch für den Klimakille­r Nummer eins Kohle scheinen die Tage gezählt.

Obwohl die deutsche Regierung sich wegen der zahlreiche­n Arbeitsplä­tze im Ruhrgebiet und in der Lausitz vor dem endgültige­n Kohleausst­ieg drückt, ist der CO2Ausstoß durch die Kohle gesunken. In Deutschlan­d wird weniger Kohle verbraucht.

Dass die USA das Pariser Klimaabkom­men aufgekündi­gt haben, kann den weltweiten Trend nicht stoppen. Denn die freien Marktkräft­e haben übernommen. Sie treiben nun die Entwicklun­g voran. Jetzt bräuchte es nur noch einen teureren Preis für CO2 zum Beispiel über eine Steuer. Dann wäre der KippPunkt erreicht, mit dem ein radikaler Umbau der Energiever­sorgung tatsächlic­h wahr werden könnte.

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