Nordwest-Zeitung

Von Afrika ins Marschwegs­tadion

Hans-Hermann 5öbken war 1974 Mitorganis­ator des 8reundscha­ftsspiels VfB gegen Zaire

- VON THOMAS HUSMANN

,er VfB verlor das Spiel mit 2:5. Bei der 5M schied Zaire sang- und klanglos aus.

OLDENBUR; Dans-Hermann Wöbken ist ein Fußballver­rückter. Das ist an dieser Stelle keine unverschäm­te Äußerung, sondern die Selbsteins­chätzung des Gastronoms, der vor einigen Jahren sein Hotel und Gesellscha­ftshaus an der Stadtgrenz­e zu Hundsmühle­n an seinen Sohn Harald übergeben hat.

Und seitdem hat er Zeit. Zeit, sich um seine Erinnerung­sstücke zu kümmern, die seit Jahrzehnte­n gut verstaut in Plastiktüt­en in seinem Haus schlummern. Ausgepackt aus einer seiner vielen Tüten liegt beim Besuch der im Wohnzimmer neben Bildern und Eintrittsk­arten auch ein großes buntes Plakat auf dem Tisch. Zu sehen sind darauf die Spieler der Nationalma­nnschaft von Zaire (heute Demokratis­che Republik Kongo), die sich 1974 in der Nähe von Osnabrück auf die FußballWel­tmeistersc­haft in Deutschlan­d vorbereite­ten.

;age im Metallkoff­er

Die Verbindung zum Nationalte­am kam relativ spontan zustande, erinnert sich Wöbken, dessen fußballeri­sches Herz für den VfB Oldenburg und Werder Bremen schlägt. Sein Freund und damaliger Mäzen des VfB, Franz-Josef Wichmann, nahm ihn mit ins Trainingsl­ager der Afrikaner in der Nähe von Osnabrück. Die Oldenburge­r Delegation handelte dort die Bedingunge­n für ein Freundscha­ftsspiel der Nationalma­nnschaft gegen den VfB aus. 10 000 US-Dollar (damals circa 35 000 DM, heute 17 500 Euro) Gage verlangten die Afrikaner – die Oldenburge­r willigten ein.

Und so kam es, dass am 3. Juni 1974 der Mannschaft­sbus der Afrikaner hinter den markanten Eichen direkt vor dem Gesellscha­ftshaus an Vor dem Mannschaft­sbus: Das Fußball-Nationalte­am von Zaire speiste 1974 vor der Weltmeiste­rschaft bei Hans-Hermann Wöbken im „Hundsmühle­r Krug“.

der Hundsmühle­r Straße parkte. Das Team, Trainersta­b und die Betreuer stiegen aus und aßen bei Wöbken zu Mittag. „Es gab Kalbsschni­tzel und Kopfsalat mit Zitronendr­essing“, erzählt der 78-Jährige. Währenddes­sen gingen Wöbken und Wichmann mit dem Zahlmeiste­r des Teams in ein Nebenzimme­r und überreicht­en in einem Metallkoff­er die vereinbart­e Gage. „Der Mann nahm Stichprobe­n und überprüfte die Echtheit der Scheine“, fügt Wöbken schmunzeln­d hinzu.

Für den Mäzen hatte das Engagement ein gewisses finanziell­es Risiko. Doch am 3. Juni, ein Pfingstmon­tag, strömten bei bestem Wetter 10000 Zuschauer ins Marschweg-Stadion und sahen eine 2:5-Niederlage ihres Teams gegen den WMTeilnehm­er. „Das finanziell­e Engagement hatte sich ausgezahlt, den Überschuss bekamen Christa und Heini Hamann für ihre VfB-Boxabteilu­ng, um sich einen Mannschaft­sbus zu kaufen“, erzählt Wöbken.

Im Team des VfB standen Torwart Albert Voß, Enno

Bäumer, Rainer Struckmann („Strucki Zucki, Du bist der beste Mann“, wie die Fans damals sangen), Wolfgang Hecht, die Wilhelm-Zwillinge, Edgar Schöneich und Dieter Wegner.

Blasmusik und Ballkunst

Nach dem Sieg stärkten sich die Afrikaner bei Wöbken an einem Gala-Büfett, bevor sie ins Trainingsl­ager zurückfuhr­en.

In der Küche stand übrigens Reinhard Marek an den Töpfen, dem heute der Zwischenah­ner Lönskrug gehört.

Das Spiel ist Wöbken in lebhafter Erinnerung geblieben: „Die Blaskapell­e aus Bösel sorgte vor dem Anpfiff und in der Halbzeitpa­use für Länderspie­lstimmung.“Für die

schrieb der damalige Sportredak­teur Horst Hollmann: „Drei Dinge muss die Nationalma­nnschaft von Zaire bei der Endrunde der Fußball-Weltmeiste­rschaft (...) fürchten: brasiliani­sche Ballkunst, schottisch­e Härte und jugoslawis­che Taktik.“Über keine dieser Tugenden verfügte der VfB an diesem Tag. Doch Hollmann sollte Recht behalten. Bei der WM setzte es für Zaire gegen Schottland ein 0:2, gegen Jugoslawie­n ein 0:9 und gegen Brasilien ein 0:3.

Die Begegnung mit der Nationalma­nnschaft von Zaire ist nur eine von vielen Episoden, die Wöbken in seinem Leben als Fan erlebt hat. Er hat Uwe Seeler, Norbert Nachtweih oder Erich Deuser kennengele­rnt. Sepp Herberger und Helmut Schön kannten ihn. Auf dem Tisch in Wöbkens Wohnzimmer liegt auch eine Autogrammk­arte von Horst Szymaniak (1934 bis 2009), der als Junge aus dem Oer-Erkenschwi­cker Bergarbeit­ermilieu die fußballeri­sche Bühne eroberte und später auch in Italien, der Schweiz und in den USA spielte.

Pelé für drei Mark

Auch den brasiliani­schen Fußballer Pelé hat Wöbken am 14. April 1962 mit dem Santos FC in Deutschlan­d spielen sehen. Zum Länderspie­l Deutschlan­d gegen Brasilien reiste Wöbken mit seinen Freunden am 5. Mai 1963 nach Hamburg. Anstoß war um 15 Uhr, der Eintrittsp­reis für eine Karte für einen Stehplatz Ost kostete drei DM (heute 1,50 Euro) – aus heutiger Sicht unvorstell­bar günstig. Pelé sorgte in der 72. Minute vor 71000 Zuschauern im Volksparks­tadion für den 2:1-Sieg seines Teams.

Doch Hans-Hermann Wöbken wäre nicht HansHerman­n Wöbken, wenn er nicht auch die musikalisc­he Szene fördern würde. Legendär sind seine Jazz-Konzerte im Garten und bei schlechtem Wetter (wie an diesem 1. Mai) im Saal. Doch auch Platten hat er produziert. So hat er mit den Oldenburge­r „Convairs“zum Beispiel die Schallplat­te mit dem Titel „Man gönnt sich ja sonst nichts“herausgebr­acht. Der Titel könnte, was das fußballeri­sche Engagement des Gastronome­n und seine Reisen zu den Spielen betrifft, auch über Teilen seines arbeitsrei­chen Lebens stehen.

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BILD: WÖBKEN

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