Seltener Patient im Krankenhaus
Schwer verletzter Fischadler wird in Wildtierauffangstation Rastede gepflegt
Seltener Patient: Ein verletzter Fischadler wird zurzeit in der Wildtierauffangstation in Rastede gesund gepflegt. Damit seine Federn nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, wurden kleine Plastiktüten darüber gezogen.
Drahtseile schnitten in die Flügel des in Niedersachsen vom Aussterben bedrohten Fischadlers, als dieser auf Beutejagd war. Angler fanden den schwer verletzten Vogel in einem Moorgebiet.
RASTEDE Dne Patient befindet sich in Kammer 6. Durch ein kleines Fenster neben der von außen mit einem Riegel verschlossenen Holztür lässt sich beobachten, wie sich sein Zustand von Tag zu Tag verbessert. An diesem Samstag ist er seit genau zwei Wochen in der knapp 50 Quadratmeter großen und drei Meter hohen Kammer hinter der Holztür. Durch die mit grün ummantelten Maschendraht geschlossene Decke fällt das Tageslicht herein.
21 weitere solcher Räume gibt es in dem langen Gebäude, das auf dem Gelände der Wildtierauffangstation in Rastede steht. Sie zweigen links und rechts von einem mit Holzhackschnitzeln ausgelegten „Flur“ab und beherbergen allesamt Großvögel wie den Patienten in Kammer 6. Das Gebäude mit den 22 Räumen ist sozusagen das RehaZentrum für verletzte Eulen, Greifvögel oder Störche.
Gefährdete Art
Der Patient hinter Holztür Nummer 6 ist der neueste und zugleich seltenste Zugang, der von Stationsleiter Klaus Meyer und seinem Team zurzeit
gepflegt wird: ein Fischadler. „In ganz Niedersachsen gab es 2017 nur 15 Revierpaare“, sagt der 59-Jährige. Seit einigen Jahren arbeitet er in der Projektgruppe Seeadler- und Fischadlerschutz Niedersachsen mit und weiß daher Bescheid über die Population im Land.
„Nur zehn dieser Revierpaare gelang eine erfolgreiche Brut, bei der die Jungvögel flügge geworden sind“, sagt Meyer. Von Rastede aus betrachtet lebt das nächste Paar am Dümmer See – rund 100 Kilometer entfernt. „Wir warten seit Jahren darauf, dass sich ein Paar an der Thülsfelder Talsperre ansiedelt“, berichtet Meyer. Daraus wurde bislang aber nichts.
Woher genau der Fischadler stammt, der in der Wildtierauffangstation gesund gepflegt wird, kann der Stationsleiter nicht sagen. Ob es sich um ein weibliches oder männliches Tier handelt, ist ebenfalls unbekannt. Bevor der Vogel wieder ausgewildert wird, soll noch ein DNA-Test vorgenommen werden.
Wie der Fischadler sich seine Verletzungen mit großer Wahrscheinlichkeit zugezogen hat, weiß Meyer indes schon. „Über Teiche, in denen Fische gezüchtet werden, werden häufig mit kleinen Abständen dickere Drahtseile parallel zueinander gespannt, vor allem um Kormorane oder Graureiher abzuhalten“, schildert er.
Meyer geht davon aus, dass der Fischadler in einem auf diese Art und Weise geschützten Teich Beute machen wollte und beim Herabstürzen mit den ausgebreiteten Flügeln in
die gespannten Drahtseile geriet. „Der Fischadler hat links und rechts vom Flügel dieselben Verletzungen“, schildert Meyer. Der Draht schnitt in die Haut der Oberarme des Vogels. Das Tier blutete stark, konnte nicht mehr richtig fliegen und wurde schließlich entkräftet aufgefunden – im Pestruper Moor bei Wildeshausen (Kreis Oldenburg). Wie weit sich das verletzte Tier noch schleppte, bevor es dort landete, ist nicht bekannt. „Zwei Angler entdeckten den Fischadler, packten ihn in eine Decke und brachten ihn zunächst zu einer kleineren Station in Vechta“, schildert Meyer.
Da die Wildtierauffangstation in Rastede aber eher auf solche Fälle spezialisiert ist, kam der Vogel dann vor knapp zwei Wochen ins RehaZentrum von Klaus Meyer und seinem Team. „Vor fünf Jahren hatten wir schon einmal einen Fischadler mit den gleichen Verletzungen hier“, erinnert sich der 59-Jährige. Der Vogel damals war bei den Ahlhorner Fischteichen in gespannte Drähte geflogen. „Die Drähte wurden daraufhin mit rot-weißem Flatterband markiert, so dass sie von Vögeln besser wahrgenommen werden“, berichtet Meyer. Er habe seitdem nicht gehört, dass es dort noch einmal zu einem solchen Unfall gekommen ist.
In den beiden vergangenen Wochen habe sich der neue Patient im Reha-Zentrum gut entwickelt, freut sich der Stationsleiter. „Er frisst mittlerweile selbst, und die Wunden verheilen.“Nur einer der beiden Flügel ist noch ein bisschen abgespreizt. Vm Krankenhaus für Großvögel: Klaus Meyer, Leiter der Wildtierauffangstation, hat diesen Bereich mit 22 Kammern nach seinen eigenen Vorstellungen gebaut.
Rasch auswildern
Die schnelle Genesung ist im Falle des Fischadlers aber auch zwingend nötig. „In zwei bis drei Wochen muss er ausgewildert werden“, sagt Meyer. Denn: Fischadler lassen sich nicht über längere Zeit „in Gefangenschaft“halten, dann würden sie verkümmern und ihre Flügelspitzen und Federn würden kaputt gehen. Nur um Beute zu machen, wagen sich Fischadler in Bodennähe, selbst gefressen wird in sicherer Höhe.
Meyer sagt deshalb: „Ein Fischadler hat auf dem Erdboden nichts zu suchen.“Der Leiter der Wildtierauffangstation hat die Federn seines Patienten aus diesem Grund auch mit kleinen Plastiktütchen gesichert, um Schäden vorzubeugen.
Kammer 6 im Reha-Zentrum für verletzte Großvögel soll der Fischadler nun möglichst bald wieder verlassen. Bevor er ausgewildert wird, soll er aber noch einen Ring der Vogelwarte Helgoland erhalten. Auf diesem sind ein Buchstabe und zwei Zahlen vermerkt, die mit Hilfe eines guten Fernglases abgelesen werden können. So kann der Fischadler künftig identifiziert werden.
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