Grüne Gene und viel Geduld
In der Kinderstube der Rhododendren – Bei erfahrenen Züchtern im Ammerland
Wenn Tulpe und Narzisse verblüht sind, übernimmt der Rhododendron die Regie. Er taucht das Ammerland von Mai bis Juni in eine bunte Landschaft.
WIEFELSTEDE Für Timo Schröder aus Wiefelstede haben Rhododendren immer Saison. Der 49-Jährige ist Deutschlands größter Anzüchter und Europas größter Veredler dieser Pflanze. Täglich inspiziert er seinen rund 60 Hektar großen Vermehrungsbetrieb, in dem neben Rhododendren auch Azaleen produziert werden. Der gelernte Landmaschinenmechaniker hat das Geschäft vom Vater übernommen und führt es mit Herzblut und in den USA erlern- tem Managementwissen.
Unter weißer Folie
Mehr als 100 Folientunnel reihen sich dicht an dicht auf dem Gelände. Insgesamt sind es sieben Hektar, was in etwa der Größe von sechs Fußballfeldern entspricht. Unter weißem Plastik wachsen Tausende von Jungpflanzen heran. Es ist die Wiege und Kinderstube des Rhododendrons. Bei konstanten 20 Grad aus Bodenheizungen und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit aus automatischen Bewässerungssystemen gedeihen alte und neue Züchtungen.
Die Basis für die Vermehrung bildet die einfache Sorte „Cunnigham’s White“. Sie gilt als sehr robust. Von der Mutterpflanze wird ein kleiner, gesunder Trieb ab- und seitlich eingeschnitten, so als würde man Blumen frisch anschneiden. Kritischer Blick: Timo Schröder (rechts) kontrolliert in seinem Betrieb in Wiefelstede täglich die Anzucht von Azaleen und Rhododendren. „Man nennt das Verwundungsschnitt, und wir machen es so, damit die Wurzeln seitlich herauswachsen können“, erklärt Schröder diesen ersten Schritt zum neuen Baby-Rhodo. Zu mehreren werden sie in sogenannte Vermehrungsboxen gepflanzt, wo sie innerhalb von sechs bis acht Wochen die ersten Wurzeln bilden. „Aus etwa 30 Prozent unserer Geduldiger Züchter: Volker Hobbie in seinem Rhododendronpark in Petersfeld bei Westerstede Stecklinge wird nichts. Das ist für uns ganz normal. Aber den Rest topfen wir dann ein“, sagt er. „Und zwar in eine Mischung aus Holzfaser, Langzeitdünger und Torfsubstrat.“
Immerhin verlassen zwei Millionen Mini-Rhodos jährlich Schröders Gewächshäuser. Übrigens ohne Topf. Die behält der Wiefelsteder lieber selbst und lässt sie mithilfe einer speziellen Topf-Waschanlage wiederaufbereiten. „Daran sieht man, dass ich nicht nur das Gärtnergen habe, sondern auch den Beruf des Landmaschinenmechanikers gelernt habe“, sagt der 49-Jährige lachend.
Etwa sieben Monate bleiben die Pflänzchen im Vermehrungsbetrieb. Zwischen September und Oktober verlassen die Jungrhodos ihr bisheriges Zuhause und werden an weiterproduzierende Baumschulen verkauft. Dort werden sie nochmals ein Jahr aufgepäppelt, bevor sie im darauffolgenden Jahr schließlich an den Endverbraucher gehen. „Bis aus einem Steckling ein brauchbarer Rhodo wird, vergehen locker zwei Jahre.
Soviel Zeit muss sein“, erklärt Schröder. Gerade in dieser Anzuchtzeit müsse man ein grünes Gen und eine Menge Idealismus mitbringen.
4000 verschiedene 6rten
Neben der Standardvermehrung gängiger Sorten werden in Wiefelstede auch Rhodos veredelt. Ein Prozess mit langer Tradition. Mehr als 2000 verschiedene Sorten sind dort zu Hause, manche ist älter als 120 Jahre. Besonders die alten Sorten sind von unschätzbarem Wert.
Die Vielfalt der Sorten spiegelt ein Blick in die Datenbank der Deutschen Genbank für Rhododendren. Mehr als 4000 verschiedene Arten sind dort eingetragen. Auch Schröders Rhodos hat das Bundessortenamt erfasst. Der Eintrag in die Datenbank verfolgt das Ziel, die historischen Sorten vor dem Verschwinden zu bewahren und alte sowie neue Sorten zusammen mit den Arten, aus denen sie entstanden sind, zu erhalten.
Mit mehr als 20 Prozent Marktanteil ist Schröder europaweit
führend im Veredelungsgeschäft. „Wir haben die größte europäische Sammlung, und manche Sorten gibt es nur bei uns“, erklärt der Gärtner. Sein Unternehmen will er als Ideenschmiede verstanden wissen. „Wir wollen einen Imagewechsel. Der Rhodo ist keine Omapflanze, und das wollen wir mit unseren Neuzüchtungen zeigen.“
Ein paar Kilometer weiter, in Petersfeld, sehen Volker und Birgit Hobbie das genauso. Bereits in der dritten Generation führt die Familie Deutschlands größten Rhododendronpark. Bis zu 50 000 Blumenliebhaber pilgern jedes Jahr zur Blütezeit zwischen Mai und Juni dorthin und tauchen ein in ein Meer aus Farben und Formen. Zwischen seltenen Bäumen, die teilweise älter als 300 Jahre sind, stehen zigtausend verschiedene Rhododendron-Arten. Einige sind bereits so alt wie der Park selbst und höher als zehn Meter.
Vor genau 90 Jahren hatte der Gründer des Parks, Dietrich Gerhard Hobbie, Samen von wilden Rhododendren