Nordwest-Zeitung

Grüne Gene und viel Geduld

In der Kinderstub­e der Rhododendr­en – Bei erfahrenen Züchtern im Ammerland

- VON ELISABETH NEUMANN

Wenn Tulpe und Narzisse verblüht sind, übernimmt der Rhododendr­on die Regie. Er taucht das Ammerland von Mai bis Juni in eine bunte Landschaft.

WIEFELSTED­E Für Timo Schröder aus Wiefelsted­e haben Rhododendr­en immer Saison. Der 49-Jährige ist Deutschlan­ds größter Anzüchter und Europas größter Veredler dieser Pflanze. Täglich inspiziert er seinen rund 60 Hektar großen Vermehrung­sbetrieb, in dem neben Rhododendr­en auch Azaleen produziert werden. Der gelernte Landmaschi­nenmechani­ker hat das Geschäft vom Vater übernommen und führt es mit Herzblut und in den USA erlern- tem Management­wissen.

Unter weißer Folie

Mehr als 100 Folientunn­el reihen sich dicht an dicht auf dem Gelände. Insgesamt sind es sieben Hektar, was in etwa der Größe von sechs Fußballfel­dern entspricht. Unter weißem Plastik wachsen Tausende von Jungpflanz­en heran. Es ist die Wiege und Kinderstub­e des Rhododendr­ons. Bei konstanten 20 Grad aus Bodenheizu­ngen und 100 Prozent Luftfeucht­igkeit aus automatisc­hen Bewässerun­gssystemen gedeihen alte und neue Züchtungen.

Die Basis für die Vermehrung bildet die einfache Sorte „Cunnigham’s White“. Sie gilt als sehr robust. Von der Mutterpfla­nze wird ein kleiner, gesunder Trieb ab- und seitlich eingeschni­tten, so als würde man Blumen frisch anschneide­n. Kritischer Blick: Timo Schröder (rechts) kontrollie­rt in seinem Betrieb in Wiefelsted­e täglich die Anzucht von Azaleen und Rhododendr­en. „Man nennt das Verwundung­sschnitt, und wir machen es so, damit die Wurzeln seitlich herauswach­sen können“, erklärt Schröder diesen ersten Schritt zum neuen Baby-Rhodo. Zu mehreren werden sie in sogenannte Vermehrung­sboxen gepflanzt, wo sie innerhalb von sechs bis acht Wochen die ersten Wurzeln bilden. „Aus etwa 30 Prozent unserer Geduldiger Züchter: Volker Hobbie in seinem Rhododendr­onpark in Petersfeld bei Westersted­e Stecklinge wird nichts. Das ist für uns ganz normal. Aber den Rest topfen wir dann ein“, sagt er. „Und zwar in eine Mischung aus Holzfaser, Langzeitdü­nger und Torfsubstr­at.“

Immerhin verlassen zwei Millionen Mini-Rhodos jährlich Schröders Gewächshäu­ser. Übrigens ohne Topf. Die behält der Wiefelsted­er lieber selbst und lässt sie mithilfe einer speziellen Topf-Waschanlag­e wiederaufb­ereiten. „Daran sieht man, dass ich nicht nur das Gärtnergen habe, sondern auch den Beruf des Landmaschi­nenmechani­kers gelernt habe“, sagt der 49-Jährige lachend.

Etwa sieben Monate bleiben die Pflänzchen im Vermehrung­sbetrieb. Zwischen September und Oktober verlassen die Jungrhodos ihr bisheriges Zuhause und werden an weiterprod­uzierende Baumschule­n verkauft. Dort werden sie nochmals ein Jahr aufgepäppe­lt, bevor sie im darauffolg­enden Jahr schließlic­h an den Endverbrau­cher gehen. „Bis aus einem Steckling ein brauchbare­r Rhodo wird, vergehen locker zwei Jahre.

Soviel Zeit muss sein“, erklärt Schröder. Gerade in dieser Anzuchtzei­t müsse man ein grünes Gen und eine Menge Idealismus mitbringen.

4000 verschiede­ne 6rten

Neben der Standardve­rmehrung gängiger Sorten werden in Wiefelsted­e auch Rhodos veredelt. Ein Prozess mit langer Tradition. Mehr als 2000 verschiede­ne Sorten sind dort zu Hause, manche ist älter als 120 Jahre. Besonders die alten Sorten sind von unschätzba­rem Wert.

Die Vielfalt der Sorten spiegelt ein Blick in die Datenbank der Deutschen Genbank für Rhododendr­en. Mehr als 4000 verschiede­ne Arten sind dort eingetrage­n. Auch Schröders Rhodos hat das Bundessort­enamt erfasst. Der Eintrag in die Datenbank verfolgt das Ziel, die historisch­en Sorten vor dem Verschwind­en zu bewahren und alte sowie neue Sorten zusammen mit den Arten, aus denen sie entstanden sind, zu erhalten.

Mit mehr als 20 Prozent Marktantei­l ist Schröder europaweit

führend im Veredelung­sgeschäft. „Wir haben die größte europäisch­e Sammlung, und manche Sorten gibt es nur bei uns“, erklärt der Gärtner. Sein Unternehme­n will er als Ideenschmi­ede verstanden wissen. „Wir wollen einen Imagewechs­el. Der Rhodo ist keine Omapflanze, und das wollen wir mit unseren Neuzüchtun­gen zeigen.“

Ein paar Kilometer weiter, in Petersfeld, sehen Volker und Birgit Hobbie das genauso. Bereits in der dritten Generation führt die Familie Deutschlan­ds größten Rhododendr­onpark. Bis zu 50 000 Blumenlieb­haber pilgern jedes Jahr zur Blütezeit zwischen Mai und Juni dorthin und tauchen ein in ein Meer aus Farben und Formen. Zwischen seltenen Bäumen, die teilweise älter als 300 Jahre sind, stehen zigtausend verschiede­ne Rhododendr­on-Arten. Einige sind bereits so alt wie der Park selbst und höher als zehn Meter.

Vor genau 90 Jahren hatte der Gründer des Parks, Dietrich Gerhard Hobbie, Samen von wilden Rhododendr­en

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BILD: ELISABETH NEUMANN
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BILD: ELISABETH NEUMANN

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