Nordwest-Zeitung

Kein Recht auf eine Gehaltserh­öhung

Chef hat gewisse Freiheiten bei Gestaltung – Tarifvertr­ag oder Betriebsve­reinbarung bindet

- VON TOBIAS HANRATHS

Mancher ist unzufriede­n, wenn der Kollege mehr Lohn bekommt. Die Lage ist unübersich­tlich.

BERLIN Wenn der Kollege plötzlich unerklärli­ch gute Laune hat, bekommt er vielleicht eine Gehaltserh­öhung – er ging auf den Chef zu oder dieser auf ihn. Doch was ist, wenn dieser Kollege ähnlich lange wie ich beim gleichen Arbeitgebe­r ist, mit dem gleichen Job?

Bekomme ich dann automatisc­h auch mehr Geld? Dieses Frage hat sich wohl so mancher schon einmal gestellt.

Zunächst einmal nicht, sagt Barbara Reinhard, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht und Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in. Grundsätzl­ich ist es in Deutschlan­d erlaubt, Arbeitnehm­er unterschie­dlich zu bezahlen – auch dann, wenn sie eine ähnliche Erfahrung haben und den gleichen Job machen. „Es kann ja einfach sein, dass jemand besser verhandelt hat oder von der Konkurrenz abgeworben wurde und deswegen teurer ist.“Oder der Chef hat irgendwelc­he Vorzüge entdeckt oder kleine ExtraAufga­ben vergeben.

Für dieses Grundprinz­ip auch unterschie­dlicher Bezahlung gibt es aber Einschränk­ungen: Gilt im Unternehme­n ein Tarifvertr­ag oder eine Betriebsve­reinbarung, die ein Vergütungs­system vorschreib­t, ist der Arbeitgebe­r auch daran gebunden. Das ist sogar der Fall, wenn es nicht ganz so formell zugeht. „Das gilt immer, wenn es irgendeine Form von kollektive­m Bezugssyst­em gibt“, so Reinhard. Wenn die Entwicklun­g der Gehälter nach objektiven Kriterien abläuft, wenn es also zum Beispiel immer nach zwei Jahren eine Gehaltserh­öhung gibt, kann der Arbeitgebe­r davon nicht einfach abweichen.

Und selbst ohne ein solches Prinzip ist die Welt der Gehälter kein rechtsfrei­er Raum, so Reinhard: „Es gilt immer das Diskrimini­erungsverb­ot. Das bedeutet: Alter, Geschlecht oder Hautfarbe etwa dürfen also nicht der Grund für Gehaltsunt­erschiede sein.“Wer sich diskrimini­ert und deswegen ungerecht bezahlt fühlt, kann dafür entspreche­nde Indizien sammeln, zum Beispiel mithilfe des neuen Entgelttra­nsparenzge­setzes. Gelingt das, muss der Arbeitgebe­r die Vorwürfe widerlegen – oder den Übergangen­en ebenfalls mehr bezahlen.

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