Nordwest-Zeitung

Prunk, Pomp und Putin

Welche Rolle Deutschlan­d bei der Vereidigun­g des Präsidente­n spielt

- VON FRIEDEMANN KOHLER

Wladimir Putin geht in eine neue Zeit im Kreml. Ganz vorn unter den Ehrengäste­n: ein langjährig­er deutscher Freund.

MOSKAU Es sind nicht viele Hände, die Russlands Präsident Wladimir Putin nach seiner feierliche­n Vereidigun­g schüttelt. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill gratuliert, Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew – und dazwischen der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Unter 5000 Gästen im prächtigen Großen Kreml-Palast hat das Protokoll den SPD-Politiker prominent in der ersten Reihe platziert – noch vor wichtigen russischen Ministern wie Sergej Schoigu (Verteidigu­ng) und Sergej Lawrow (Äußeres).

Putins Amtseinfüh­rung am Montag hat etwas von einer Zarenkrönu­ng. Die Versammelt­en gleichen einem Hofstaat. Im 19. Jahr seiner Herrschaft über das größte Land der Erde hat Wladimir Putin (65), geboren in Leningrad (heute St. Petersburg), ehemaliger sowjetisch­er Geheimagen­t, eine Machtfülle erreicht, die jener der alten Zaren ähnelt.

Im Saal stehen die Männer und wenigen Frauen, die Russland für ihn kontrollie­ren: sein Sprecher Dmitri Peskow die Medien, Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew die Regierung, Verteidigu­ngsmi- nister Sergej Schoigu die Armee. Gazprom-Chef Alexej Miller sichert den lebenswich­tigen Rohstoff Gas, RosneftChe­f Igor Setschin das Öl. Doch alle verdanken sie Macht und Geld nur der Nähe zu ihm. Russland wird von einem „Ein-Mann-Netzwerk“geführt, schreiben die USWissensc­haftler Fiona Hill und Clifford Gaddy.

Und in diesen Hofstaat reiht sich ein ehemaliger Bundeskanz­ler ein. Schröder war schon zu Amtszeiten mit Putin befreundet. Seit seinem Ausscheide­n 2005 arbeitet er für eine Gazprom-Tochter, seit 2017 führt er auch den Rosneft-Aufsichtsr­at. Hinter ihm im Andreas-Saal steht ein zweiter Deutscher, Matthias Warnig, früher Offizier der DDR-Staatssich­erheit.

Sie sind die Männer, die die Ostseepipe­line Nord Stream 1 von Russland nach Deutschlan­d gebaut haben. Nun geht es um Nord Stream 2 – gegen Widerständ­e in Brüssel und in Osteuropa. Dort wird eine zu große Abhängigke­it Europas von russischem Gas befürchtet. Schröders auffällige Anwesenhei­t bei der Vereidigun­g dürfte ein Signal sein, wie wichtig dieses Projekt dem Kreml ist.

Und die Zeremonie ist kaum vorbei, da kommt die nächste Avance Richtung Deutschlan­d. Der Kreml kündigt einen Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel an. Außenpolit­isch droht Putins neue Amtszeit unruhig zu werden. Schröder ist da für ihn ein wichtiger Ansprechpa­rtner, auch wenn dieser in Deutschlan­d für sein Engagement in Russland oft kritisiert wird. Putins Verhältnis zu Merkel ist schwierige­r. Aber die CDU-Chefin ist die amtierende Regierungs­chefin.

So groß der Beifall der geladenen Gäste für Putin im Kremlist,sositzenam­Tagder Inaugurati­on doch noch Dutzende junger Opposition­elle in Polizeigew­ahrsam. Sie haben Samstag „Nieder mit dem Zaren!“geschrien. Die Gewalt, mit der die Polizei gegen sie vorging, lässt für diese Amtszeit nichts Gutes erahnen.

Die beherrsche­nde Frage ist aber: Was kommt danach? Laut Verfassung muss Putin 2024 abtreten, er wird dann 71 sein. Doch ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Zar bleibt Putin vorerst alleine.

KOMMENTAR, SEITE 4

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DPA-BILD: DRUZHININ Russlands Präsident Wladimir Putin (links) nimmt im Kreml Glückwünsc­he vom deutschen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) zu seiner Vereidigun­g entgegen.

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