Nordwest-Zeitung

Fehlurteil­e werfen Schatten auf Abschiebep­raxis

Treffen Dobrindts Aussagen zu einer „aggressive­n Anti-Abschiebe-Industrie8 zu9

- VON MARTINA HERZOG UND ANNE-BÉATRICE CLASMANN

BERLIN CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sieht eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“am Werk, die „bewusst die Bemühungen des Rechtsstaa­tes sabotiert“. Richtig ist: Es gibt Juristen, die sich auf Asylrecht spezialisi­ert haben. Doch würde wohl niemand auf die Idee kommen, Anwälten für Familienre­cht die Schuld an der hohen Scheidungs­rate zu geben. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Wie wasserdich­t sind ? die Asylentsch­eide

Zweifel sind angebracht. Auf ganzer Linie versagt hat das System im Fall des Bundeswehr­soldaten Franco A.. Der rechtsextr­eme Oberleutna­nt spricht kein Arabisch, gab sich aber dennoch beim Bundesamt für Asyl und Flüchtling­e (Bamf) erfolgreic­h als Obstverkäu­fer aus Damaskus aus.

Außerdem gelten bundesweit dieselben Regeln. Dennoch hängt die Erfolgsquo­te im Asylverfah­ren auch davon ab, in welchem Bundesland ein Antrag gestellt wird. Die höchste Chance auf Schutz hatten Afghanen 2017 in Bremen (65,2 Prozent), die geringste in Bayern (37,8).

Wie viele Asylklagen ? sind erfolgreic­h

2017 zog die große Mehrheit der abgelehnte­n Asylbewerb­er (91,3 Prozent) gegen die Bamf-Entscheidu­ng vor Gericht. 40,8 Prozent der Verfahren, die nicht eingestell­t wurden, endeten zugunsten des Klägers. Die Zahl der Fälle, die in die zweite Instanz ging, war sehr gering.

Verzögern Anwälte ? mutwillig Abschiebun­gen

Das mag vorkommen. Allerdings zeigt die Statistik, dass viele Kläger vor Gericht Erfolg haben. Hinzu kommt: Wer ohnehin wenig Aussicht auf Aufnahme in Deutschlan­d hat, zum Beispiel Migranten aus den Maghreb-Staaten, stellt oft gar keinen Asylantrag oder versucht sogar, seine Existenz in Deutschlan­d ohne jede Registrier­ung bei den Behörden zu organisier­en.

Was würde sich durch ? Asylzentre­n ändern

Innenminis­ter Horst Seehofer will eine Vereinbaru­ng aus dem Koalitions­vertrag umsetzen und Asylbewerb­er künftig in Massenunte­rkünften mit bis zu 1500 Bewohnern unterbring­en. Dort sollen sie bleiben, bis über ihren Asylantrag entschiede­n ist. Wer keine Anerkennun­g oder Duldung erhält und länger als sechs Monate hier ist, soll direkt in sein Heimatland zurückgebr­acht werden – notfalls mit Zwang.

Kämen Asylbewerb­er ? noch zu ihrem Recht

Ja. Ein Asylbewerb­er, dessen Antrag abgelehnt wird, könnte immer noch gegen die Entscheidu­ng klagen. Allerdings hängt der Erfolg einer solchen Klage in der Praxis auch davon ab, inwieweit der Betroffene Kontakt zu Helfern und Fachanwält­en hat.

Woran scheitern die ? meisten Abschiebun­gen

Oft liegt es daran, dass die Polizei die Betroffene­n nicht am Wohnort antrifft. In anderen Fällen verhindern ein ärztliches Attest oder ein Antrag auf Erlass einer einstweili­gen Anordnung, dass der Ausländer in sein Herkunftsl­and oder ein anderes EULand gebracht wird.

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DPA-BILD: PLEUL Eine sTrische Familie sitzt vor einem AsTlbewerb­erwohnheim der Zentralen Ausländerb­ehörde in Brandenbur­g.

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