Beim Geld endet die Zuneigung
Kanzlerin schwärmt von Macron – ohne dessen Europa-Vision zu fol1en
AACHEN – Da ist er wieder. Angela Merkel schwärmt vom „Zauber Europas“, wie sie ihn im vergangenen Jahr in der Zusammenarbeit mit Emmanuel Macron erlebt habe. Und der französische Präsident strahlt. „Deine Begeisterung, Dein Einsatz, Deine Courage reißen andere mit“, lobt die Kanzlerin den Präsidenten in ihrer Laudatio dafür, dass er vor Ideen sprühe und die europapolitische Debatte mit neuen Vorschlägen belebe. Sie freue sich, auf diesem Weg gemeinsam mit ihm arbeiten zu können, so Merkel.
Deutsch-französischer Schulterschluss im Krönungssaal des Aachener Rathauses bei der Verleihung des Karlspreises, einem Hochamt der europäischen Idee und Bewegung. Doch bei der Ehrung für seine Verdienste um die europäische Einigung und seiner „Vision von einem neuen Europa und der Neugründung des europäischen Projektes“, wie es in der Begründung heißt, wählt Macron deutliche Worte, kritisiert auch die deutsche Zurückhaltung in Sachen EU und ruft die Euro-
päer zu Geschlossenheit und Aufbruch auf. „Seien wir nicht schwach!“, lautet sein eindringlicher Appell. „Warten wir nicht zu!“, ruft er den Gästen der Preisverleihung zu.
Und Macron greift Merkel an, kritisiert indirekt ihren Kurs in der Europapolitik, drängt auf mehr Tempo und weitreichende Reformen. „Wir brauchen eine stärker integrierte Eurozone und einen gemeinsamen Haushalt“, erneuerte er seine Forderungen, sieht hier vor allem Deutschland zu höheren Ausgaben für die EU gefordert und beklagt einen „Fetischismus“der Bundesregierung für Haushalts- und Außenhandelsüberschüsse.
Mehr Europa wagen, so seine Botschaft auch an die Kanzlerin. „Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“, fordert Merkel in ihrer Laudatio. Doch wie das gelingen soll, sagt Merkel nicht, bleibt Antworten auf Macrons Reformagenda einmal mehr schuldig.
Wie steht es um das Duo Merkel/Macron? Kommt die deutsch-französische Achse wieder in Schwung? Enger Schulterschluss zwischen Präsident und Kanzlerin gestern beim Thema Nahost und Iran-Krise. Frankreichs Präsident kritisiert eine „Politik des Schlechten und Schlimmeren“in der Region, dem die EU nicht folgen dürfe. Die Eskalation zwischen dem Iran und Israel zeige, „dass es wahrscheinlich um Krieg und Frieden geht“, warnt die Kanzlerin.
Bis zum EU-Gipfel im Juni will das Duo „Mercron“sich auf Pläne für die Zukunft der EU verständigen. Hatte Merkel noch nach Macrons Europa-Rede zur „Neugründung“der EU an der Sorbonne-Universität von einem „Höchstmaß an Übereinstimmung“gesprochen, hakt es inzwischen, gibt es Streit über die Pläne des Präsidenten.
Die Forderung nach einem gemeinsamen Haushalt für die Euro-Staaten und einem europäischen Finanzminister stieß in Berlin vor allemin den Reihen der Unionsfraktion auf deutlichen Widerstand. Mag man sich auch bei der Außen- und Sicherheitspolitik, beim Thema europäische Verteidigung und bei der Sicherung der Außengrenzen und in Teilen der Flüchtlingspolitik nahe sein, so gibt es doch „schwierige Probleme“, wie Merkel einräumt, wenn es ums Geld geht.
Macron macht Tempo, Merkel bremst. Vor dem entscheidenden EU-Gipfel im nächsten Monat soll es noch deutsch-französische Regierungskonsultationen geben. Dort gelte es, einen Kompromiss für das Treffen mit den EU-Partnern zu erzielen.