Nordwest-Zeitung

Maximales Misstrauen

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

Die Zeit läuft. Nur 60 Tage räumt der Iran den Europäern ein, um den von US-Präsident Donald Trump aufgekündi­gten Atom-Deal zu retten. Berlin, Paris und London haben die Dringlichk­eit erkannt, sehen nun die Möglichkei­t, Trump zu isolieren und die internatio­nale Bedeutung Europas zu stärken.

Es ist gut, dass sich die drei Staaten schon an diesem Dienstag mit Irans Vertretern treffen und sich an die Arbeit setzen. Es gibt keinen Tag zu verlieren, denn die Aufgabe ist gewaltig. Vor allem gilt es der Gefahr zu trotzen, von Teheran ausgetrick­st zu werden. Die Iraner hatten vor dem Abkommen jahrelang ihre Bemühungen um die Atombombe versteckt und die Staatengem­einschaft getäuscht. Und auch nach dem historisch­en Deal hat sich der Iran nicht vom Saulus zum Paulus gewandelt, heizt den Syrienkrie­g weiter an, ist für Tod und Elend im Jemen mitverantw­ortlich und bedroht mit seinem Raketenpro­gramm Israel. All das erfordert maximales Misstrauen, wenn es jetzt um die Rettung des Atomdeals geht. Zugleich muss es gelingen, die US-Sanktionen abzufedern und die Iran-Geschäfte europäisch­er Firmen abzusicher­n, ohne Trump zur Weißglut zu reizen.

Sich von den Drohungen aus Washington nicht einschücht­ern zu lassen, zugleich aber das transatlan­tische Verhältnis zu pflegen – das wird nur mit größtem diplomatis­chen Geschick gelingen. Voraussetz­ung dafür ist, dass die Europäer absolut geschlosse­n vorgehen.

Die Signale aus Moskau und Peking, mit den Europäern für den Atom-Deal zu kämpfen, sind ermutigend. Vielleicht birgt Trumps unverantwo­rtlicher Alleingang am Ende doch die Chance, die Vernunft und Einsicht der verblieben­en politische­n Mächte zu stärken und mehr Gemeinsamk­eit zu erreichen. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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