Nordwest-Zeitung

MIT K.-O.-TROPFEN IN DER DISCO BETÄUBT

21-Jährige verliert nachts die Orientieru­ng – Von Polizei und Klinik nicht ernst genommen

- VON CHRISTIAN QUAPP

Ohne jede Erinnerung suchte die junge Frau im Krankenhau­s und bei der Polizei nach Hilfe. Dort hatte sie das Gefühl, abgewimmel­t zu werden.

OLDENBURG/BAD ZWISCHENAH­N

Es sollte eine ganz normale Partynacht werden, eine Nacht wie sie an jedem Wochenende Tausende junge Erwachsene verbringen. Lisa K. (Name von der Redaktion geändert) traf sich mit einer Freundin, sie saßen zusammen, tranken etwas und freuten sich auf die Oldenburge­r Clubs. Doch für Lisa aus Bad Zwischenah­n endete diese Nacht in einem Horror-Erlebnis. Vermutlich durch K.-o.-Tropfen wurde sie außer Gefecht gesetzt, war völlig orientieru­ngslos und ist seitdem ohne jede Erinnerung an das, was in dieser Nacht geschehen ist. Sehr wohl erinnert sie sich aber daran, wie sie am folgenden Tag Hilfe bei der Ammerland-Klinik in Westersted­e und bei der Polizei suchte – und an das Gefühl, dort abgewimmel­t zu werden.

DAS SAGT DAS OPFER

Gegen ein Uhr in der Nacht trifft Lisa mit ihrer Freundin in einer Oldenburge­r Diskothek ein. Sie wollen feiern, tanzen und auch etwas trinken. Doch schon um 2.10 Uhr bekommt Lisas Mutter einen Anruf von ihrer völlig aufgelöste­n Tochter. Sie will sofort abgeholt werden, vereinbart einen Treffpunkt am Rande der Innenstadt. Als Lisas Mutter gegen 2.30 Uhr dort eintrifft, ist die Tochter nicht zu sehen, sie geht auch nicht ans Telefon. Kurz darauf ruft sie zurück, sie wirkt völlig desorienti­ert. Die Mutter findet ihre Tochter nach der Rückkehr vor der Haustür – Unbekannte haben sie nach Hause gebracht. Lisa stürmt weinend in ihr Zimmer, antwortet auf keine Frage.

Wenig später stehen Polizeibea­mte vor der Tür, ein Taxifahrer hatte Lisa dort bemerkt und die Beamten alarmiert. Sie raten der Mutter, so viel wie möglich aus ihrer

Tochter herauszube­kommen und sich im Zweifel am nächsten Tag auf der Wache zu melden. Als Lisa am Vormittag wieder ansprechba­r ist und sich an die Vorfälle der vergangene­n Nacht nicht erinnern kann, wächst in Mutter und Tochter der Verdacht: Sie könnte mit K.-o.-Tropfen betäubt worden sein.

In der Ammerland-Klinik in Westersted­e hoffen sie auf Hilfe, wollen Blut oder Urin abnehmen lassen, um den Angriff mit der Droge nachweisen zu können. Was dann passiert, beschreibe­n Mutter und Tochter als Odyssee. „Ich hatte mich nicht geduscht, das allein war mir schon unangenehm“, sagt die 21-Jährige, trotzdem versuchen sie und ihre Mutter ihren Verdacht

zu schildern – so gut es eben geht.

Schon der Arzt in der Notaufnahm­e habe aber vor allem deutlich gemacht, was bei einer Untersuchu­ng alles auf Lisa zukommen werde und ihr vor allem geraten, weniger Alkohol zu trinken, berichten beide.

Lisa wird in die Gynäkologi­e geschickt, wo sie von einer Ärztin untersucht werden soll. Doch erst nach Stunden seien ein Oberarzt und eine Assistenzä­rztin erschienen. Für einen Nachweis von K.-o.-Tropfen wäre es vermutlich schon zu spät, habe ihr der Arzt gesagt und eigentlich müsse auch zuerst die Polizei eingeschal­tet werden.

Mutter und Tochter verlassen die Klinik, fahren zur Polizei nach Bad Zwischenah­n –

doch auch hier haben sie nicht das Gefühl, dass ihnen geholfen wird. „Mir ist es total schwer gefallen, alles immer wieder zu erzählen“, sagt Lisa.

Am nächsten Tag kann ihre Gynäkologi­n immerhin in einem Punkt Entwarnung geben: Es gibt keine körperlich­en Anzeichen für eine Vergewalti­gung.

DAS SAGT DIE KLINIK

Die konfrontie­rt die Ammerland-Klinik mit den Schilderun­gen. Dr. Rainer Schutz, Chefarzt der Frauenklin­ik, Hauptgesch­äftsführer Robert Hoffmeiste­r und Dr. Matthias Haut, medizinisc­her Geschäftsf­ührer, nehmen Stellung. „Der Eindruck, den die junge Frau gewonnen hat, entspricht nicht dem Leitbild der Ammerland-Klinik“, sagt Schutz sichtlich betroffen.

Anhand der Aufzeichnu­ngen der Klinik gehen Haut und Schutz den Fall durch. In der Gynäkologi­e seien die Kreißsäle voll gewesen – unter anderem habe es einen NotKaisers­chnitt gegeben, so Schutz. Das erkläre die Wartezeit. Auch, dass zu diesem Zeitpunkt weder Blut noch Urin abgenommen wurden, erklärt der Chefarzt. „Wenn eine Vergewalti­gung im Raum steht, unterschei­det sich die Untersuchu­ng völlig von jeder normalen gynäkologi­schen Untersuchu­ng. Die Ergebnisse müssen gerichtsfe­st sein.“

Dafür gibt es feste Standards. „Die Dokumentat­ion hat zehn Seiten, die Untersuchu­ng dauert rund 90 Minuten“, erläutert Schutz weiter. Das gesamte, sehr komplizier­te Verfahren sei Lisa K. laut den Aufzeichnu­ngen der Klinik erläutert worden, ihr sei auch empfohlen worden, sich in Anwesenhei­t eines Gerichtsme­diziners untersuche­n zu lassen – in Westersted­e oder in einer anderen Klinik. In all diese Untersuchu­ngen und Vorgänge müsse die Patientin einwillige­n, so Schutz.

DAS SAGT DIE POLIZEI

Auch bei der Polizei zeigt sich Ralf Becker, Leiter des Streifenun­d Einsatzdie­nstes, betroffen über den Eindruck, den Lisa und ihre Mutter gewonnen haben. Allerdings hätten die Beamten an dem Tag das Gefühl gehabt, dass Mutter und Tochter das Kommissari­at in Bad Zwischenah­n halbwegs beruhigt verlassen hätten. Dass es offenbar nicht so war, bedauert Becker. Tatsächlic­h sei es kaum möglich gewesen, zu diesem Zeitpunkt noch Beweise für K.-o.-Tropfen zu finden. „Es wäre gut gewesen, wenn die Familie oder das Krankenhau­s sofort die Polizei eingeschal­tet hätten“, sagt Becker.

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SYMBOLBILD: DPA Bunt, laut, fröhlich: EinK Party-Nacht im Club kann sich schnKll in KinKn Horrortrip vKrwandKln.

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