MIT K.-O.-TROPFEN IN DER DISCO BETÄUBT
21-Jährige verliert nachts die Orientierung – Von Polizei und Klinik nicht ernst genommen
Ohne jede Erinnerung suchte die junge Frau im Krankenhaus und bei der Polizei nach Hilfe. Dort hatte sie das Gefühl, abgewimmelt zu werden.
OLDENBURG/BAD ZWISCHENAHN
Es sollte eine ganz normale Partynacht werden, eine Nacht wie sie an jedem Wochenende Tausende junge Erwachsene verbringen. Lisa K. (Name von der Redaktion geändert) traf sich mit einer Freundin, sie saßen zusammen, tranken etwas und freuten sich auf die Oldenburger Clubs. Doch für Lisa aus Bad Zwischenahn endete diese Nacht in einem Horror-Erlebnis. Vermutlich durch K.-o.-Tropfen wurde sie außer Gefecht gesetzt, war völlig orientierungslos und ist seitdem ohne jede Erinnerung an das, was in dieser Nacht geschehen ist. Sehr wohl erinnert sie sich aber daran, wie sie am folgenden Tag Hilfe bei der Ammerland-Klinik in Westerstede und bei der Polizei suchte – und an das Gefühl, dort abgewimmelt zu werden.
DAS SAGT DAS OPFER
Gegen ein Uhr in der Nacht trifft Lisa mit ihrer Freundin in einer Oldenburger Diskothek ein. Sie wollen feiern, tanzen und auch etwas trinken. Doch schon um 2.10 Uhr bekommt Lisas Mutter einen Anruf von ihrer völlig aufgelösten Tochter. Sie will sofort abgeholt werden, vereinbart einen Treffpunkt am Rande der Innenstadt. Als Lisas Mutter gegen 2.30 Uhr dort eintrifft, ist die Tochter nicht zu sehen, sie geht auch nicht ans Telefon. Kurz darauf ruft sie zurück, sie wirkt völlig desorientiert. Die Mutter findet ihre Tochter nach der Rückkehr vor der Haustür – Unbekannte haben sie nach Hause gebracht. Lisa stürmt weinend in ihr Zimmer, antwortet auf keine Frage.
Wenig später stehen Polizeibeamte vor der Tür, ein Taxifahrer hatte Lisa dort bemerkt und die Beamten alarmiert. Sie raten der Mutter, so viel wie möglich aus ihrer
Tochter herauszubekommen und sich im Zweifel am nächsten Tag auf der Wache zu melden. Als Lisa am Vormittag wieder ansprechbar ist und sich an die Vorfälle der vergangenen Nacht nicht erinnern kann, wächst in Mutter und Tochter der Verdacht: Sie könnte mit K.-o.-Tropfen betäubt worden sein.
In der Ammerland-Klinik in Westerstede hoffen sie auf Hilfe, wollen Blut oder Urin abnehmen lassen, um den Angriff mit der Droge nachweisen zu können. Was dann passiert, beschreiben Mutter und Tochter als Odyssee. „Ich hatte mich nicht geduscht, das allein war mir schon unangenehm“, sagt die 21-Jährige, trotzdem versuchen sie und ihre Mutter ihren Verdacht
zu schildern – so gut es eben geht.
Schon der Arzt in der Notaufnahme habe aber vor allem deutlich gemacht, was bei einer Untersuchung alles auf Lisa zukommen werde und ihr vor allem geraten, weniger Alkohol zu trinken, berichten beide.
Lisa wird in die Gynäkologie geschickt, wo sie von einer Ärztin untersucht werden soll. Doch erst nach Stunden seien ein Oberarzt und eine Assistenzärztin erschienen. Für einen Nachweis von K.-o.-Tropfen wäre es vermutlich schon zu spät, habe ihr der Arzt gesagt und eigentlich müsse auch zuerst die Polizei eingeschaltet werden.
Mutter und Tochter verlassen die Klinik, fahren zur Polizei nach Bad Zwischenahn –
doch auch hier haben sie nicht das Gefühl, dass ihnen geholfen wird. „Mir ist es total schwer gefallen, alles immer wieder zu erzählen“, sagt Lisa.
Am nächsten Tag kann ihre Gynäkologin immerhin in einem Punkt Entwarnung geben: Es gibt keine körperlichen Anzeichen für eine Vergewaltigung.
DAS SAGT DIE KLINIK
Die konfrontiert die Ammerland-Klinik mit den Schilderungen. Dr. Rainer Schutz, Chefarzt der Frauenklinik, Hauptgeschäftsführer Robert Hoffmeister und Dr. Matthias Haut, medizinischer Geschäftsführer, nehmen Stellung. „Der Eindruck, den die junge Frau gewonnen hat, entspricht nicht dem Leitbild der Ammerland-Klinik“, sagt Schutz sichtlich betroffen.
Anhand der Aufzeichnungen der Klinik gehen Haut und Schutz den Fall durch. In der Gynäkologie seien die Kreißsäle voll gewesen – unter anderem habe es einen NotKaiserschnitt gegeben, so Schutz. Das erkläre die Wartezeit. Auch, dass zu diesem Zeitpunkt weder Blut noch Urin abgenommen wurden, erklärt der Chefarzt. „Wenn eine Vergewaltigung im Raum steht, unterscheidet sich die Untersuchung völlig von jeder normalen gynäkologischen Untersuchung. Die Ergebnisse müssen gerichtsfest sein.“
Dafür gibt es feste Standards. „Die Dokumentation hat zehn Seiten, die Untersuchung dauert rund 90 Minuten“, erläutert Schutz weiter. Das gesamte, sehr komplizierte Verfahren sei Lisa K. laut den Aufzeichnungen der Klinik erläutert worden, ihr sei auch empfohlen worden, sich in Anwesenheit eines Gerichtsmediziners untersuchen zu lassen – in Westerstede oder in einer anderen Klinik. In all diese Untersuchungen und Vorgänge müsse die Patientin einwilligen, so Schutz.
DAS SAGT DIE POLIZEI
Auch bei der Polizei zeigt sich Ralf Becker, Leiter des Streifenund Einsatzdienstes, betroffen über den Eindruck, den Lisa und ihre Mutter gewonnen haben. Allerdings hätten die Beamten an dem Tag das Gefühl gehabt, dass Mutter und Tochter das Kommissariat in Bad Zwischenahn halbwegs beruhigt verlassen hätten. Dass es offenbar nicht so war, bedauert Becker. Tatsächlich sei es kaum möglich gewesen, zu diesem Zeitpunkt noch Beweise für K.-o.-Tropfen zu finden. „Es wäre gut gewesen, wenn die Familie oder das Krankenhaus sofort die Polizei eingeschaltet hätten“, sagt Becker.