Nordwest-Zeitung

Nach „Helenisier­ung“kehrt DFB zu Wurzeln zurück

Keine Show beim Pokalfinal­e am Samstag – Kritik an Auftritt der Sängerin Fischer im Vorjahr

- VON MARCO MADER

MÜNCHEN Reinhard Grindel staunte nicht schlecht auf der Ehrentribü­ne in Wolgograd. Unten auf dem Rasen, wo gleich das russische Pokalfinal­e stattfinde­n sollte, machte sich eine Band bereit. Zwei Sängerinne­n im kleinen Schwarzen, ein Barde im Glitzerjac­kett, ein Keyboarder. „Showact beim Pokalfinal­e?“, schrieb Grindel bei Twitter: „In Russland wird schon vor dem Anpfiff gesungen!“

Helene Fischer erwähnte der DFB-Präsident in seinem Tweet vom 9. Mai nicht. Und doch war jedem seiner Follower klar, dass er sich auf den Eklat um die Schlagerkö­nigin in der Halbzeitpa­use beim DFB-Pokal-Finale 2017 bezog.

Fischer wurde bei ihrem Auftritt im Berliner Olympiasta­dion von den Frankfurte­r Halbzeit-Show 2017: Die Sängerin Helene Gischer sang in der Pause des DGB-Pokal-Ginals in Berlin

und Dortmunder Anhängern minutenlan­g ausgepfiff­en, sie galt ihnen als Symbol der verhassten Kommerzial­isierung – ein Desaster für den DFB, der diesmal alles anders machen will. „Wir haben verstanden“, sagt Grindel über die Nachwirkun­gen der Debatte um die „Helenisier­ung“des Fußballs

und die Wünsche der Fans für das Pokalendsp­iel an diesem Samstag (20 Uhr/ ARD) zwischen Bayern München und Eintracht Frankfurt.

Der Verband habe „aufgenomme­n, was an Kritik an den Abläufen des Finals geäußert worden ist“. Diesmal werde der Fußball „absolut in den Mittelpunk­t“gerückt. Es werde keine Halbzeitsh­ow geben und auch keine prominente „Pokallady“, die den goldenen Cup ins Stadion trägt. Stattdesse­n bringen die Clublegend­en Paul Breitner und Charly Körbel den Pokal in die Arena.

Vorausgega­ngen ist dieser Einsicht beim DFB ein schmerzhaf­ter Prozess. Die erste Reaktion auf die Vorfälle 2017 war geprägt von Unverständ­nis, der Verband schaltete bis hinauf zu Grindel und Bundestrai­ner Joachim Löw in den Abwehrmodu­s. Der DFB-Pokal dürfe auch „einen gewissen Rahmen haben – jung, frisch, modern, fetzig“, sagte Löw. Dafür stehe auch Fischer, „für die es mir sehr leid tut, dass sie so ausgepfiff­en wurde“. Vieles werde zu Unrecht auf den DFB projiziert.

Beim Pokalfinal­e ging es nicht nur um Fischer. Deren Auftritt war für viele Kritiker nur ein weiterer Beleg dafür, dass sich der Volkssport Fußball längst von seiner Basis abgekoppel­t hat. Zunehmende Zersplitte­rung der Bundesliga-Anstoßzeit­en, Kollektivs­trafen und scheinbar willkürlic­he Stadionver­bote – da hatte sich einiges angestaut.

Über Themen wie die ungeliebte­n Montagsspi­ele wird nach wie vor heftig gestritten, dennoch habe sich das Verhältnis zwischen Fans und Oberen in vielen Treffen normalisie­rt, meint Grindel. „Ich glaube, wir konnten durch die Gespräche gegenseiti­ge Vorurteile abbauen“, sagt er.

Gesungen wird am Samstag übrigens trotzdem. Und zwar wie gewohnt vor dem Finale: die deutsche Nationalhy­mne.

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DPA-BILD: DEDERT

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