Als Simonis Geschichte schrieb
Vor 25 Jahren wurde sie erste Ministerpräsidentin
KIEL Heide Simonis war die erste und fast zwölf Jahre lang die einzige Frau im MännerClub der Ministerpräsidenten. 25 Jahre ist es her, dass die Sozialdemokratin am 19. Mai 1993 in Kiel erste Chefin einer Landesregierung wurde. War das ein besonderes Gefühl? „Eigentlich nicht. Aber da alle sagten, das wäre so, musste ich es ja glauben. Ich hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken“, sagt die 74-Jährige heute.
Simonis war damals Finanzministerin in der SPD-Alleinregierung, die am 3. Mai ihren Ministerpräsidenten Björn Engholm verloren hatte, den Bundesvorsitzenden und Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. Er war zurückgetreten, weil er unter dem Druck eines Untersuchungsausschusses zugeben musste, schon 1987 Hintergrundwissen über den Barschel/Pfeiffer-Skandal gehabt zu haben.
Simonis hatte sich schon im Finanzausschuss des Bundestages in einer Männerwelt
behauptet, bevor Engholm sie 1988 in sein Kabinett holte. Später, als Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder führte sie 1992 Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst so hart, dass sie Respekt und Kritik zugleich erntete.
Ihre neue Rolle als Regierungschefin nahm die unkonventionelle, schlagfertige Frau selbstbewusst an. Aber: „Es war nicht ganz einfach, Ministerpräsidentin zu sein“, sagt sie heute. Wer ihr das Leben schwergemacht habe? „Die Männer.“Ihnen schreibt sie Schikanen zu, die Frauen am Fortkommen hindern. Aus gesundheitlichen Gründen hat sich Simonis mittlerweile ins Private zurückgezogen.
Im Amt trat sie ganz anders auf als Engholm. Sie lief barfuß im Büro herum, wartete in der Kantinenschlange aufs Essen, fiel mit schrägen Hüten auf und mit flottem Mundwerk. „Viel Spaß, und macht keinen Scheiß“, rief sie 1996 Tausenden zum Start der Kieler Woche zu.
„Sie ist ungeheuer populär geworden, hatte ihr Herz auf dem rechten Fleck“, sagt SPDLandeschef Ralf Stegner. Simonis habe eine Reformregierung geführt und sich auch von herben Angriffen nicht unterkriegen lassen.
2005 endete das Kapitel Simonis bei ihrer geplanten Wiederwahl im Landesparlament. Der bis heute unerkannte „Heide-Mörder“– jemand aus den eigenen Reihen – hatte ihr viermal die Stimme verweigert. Ihr fassungsloser, leerer Blick blieb TV-Zuschauern wie nahen Beobachtern unvergessen.
Die zweite Ministerpräsidentin folgte erst 2009 mit der Christdemokratin Christine Lieberknecht aus Thüringen.