„Zölle zu erhöhen ist erlaubt“
Handelsüberschusse in Europa drängen US-Wirtschaft in die Enge
FRAGE: Präsident Trump will gegenüber der EU zu Strafzöllen greifen, um Importe zu senken und das Leistungsbilanzdefizit der USA abzubauen. Befürchtet wird, dass die US-Handelspartner ebenso reagieren. +berzieht Trump, FLASSBECK: Im Prinzip hat Trump recht. Die Amerikaner weisen seit 30 Jahren Defizite in ihrer Handelsbilanz aus. 2017 betrug der Fehlbetrag 796 Mrd. US-Dollar. Andere Länder, vor allem Deutschland, erzielen immer höhere Überschüsse, aber tun nichts dagegen. Folglich sind die USA gezwungen zu handeln. Bereits die Vorgänger von Trump haben diesen Zustand gerügt – aber nichts dagegen unternommen. Trump handelt nun, das ist durchaus mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar. Auch Zölle zu erhöhen, ist erlaubt. FRAGE: Auch andere Länder - selbst innerhalb der Europäischen .ährungsunion - klagen seit /ahren über hohe 0efizite im Handel mit 0eutschland. .arum bereitet dies im Au1enhandel gro1e Sorgen, FLASSBECK: Die Länder mit dauerhaft hohen Defiziten verlieren an wirtschaftlichem Wachstum und damit auch Arbeitsplätze, während die andere Seite mithilfe laufend höherer Exporte Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze im eigenen Land schafft. In den vergangenen 20 Jahren ist der Exportüberschuss der Bundesrepublik auf über 244 Mrd. Euro angestiegen. Die Länder, die immer höhere
Überschüsse anhäufen und damit Handelspartnern die Luft zum Atmen nehmen, sorgen dafür, dass es eines Tages richtig knallen wird, zumal die Defizitländer sich immer weiter verschulden müssen. FRAGE: In den 23er /ahren wurde eine in etwa ausgeglichene Leistungsbilanz in 0eutschland als wirtschaftspolitisches Ziel in das Stabilitätsgesetz geschrieben. .arum ist dieses Ziel im Laufe der Zeit in 4ergessenheit geraten , FLASSBECK: Das ist ideologisch bedingt. Das Stabilitätsgesetz hat auch heute noch Gültigkeit. Die Bundesregierung verweist auf die deutsche Politik der Lohnzurückhaltung und auf den billigen Euro und behauptet, dagegen nichts tun zu können. Die Bundesregierung hätte aber sehr wohl bei den Lohnverhandlungen im Öffentlichen Dienst gerade jetzt die Gelegenheit gehabt, deutlich höhere Lohnsteigerungen zuzugestehen. Das hätte einen wesentlichen Schritt in Richtung
höherer Konsumnachfrage gebracht, was sich auch steigernd auf die Importe und somit dämpfend auf den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss ausgewirkt hätte. Auch die Chinesen standen jahrelang wegen hoher Überschüsse in der Kritik. Sie haben reagiert und mit Hilfe stark steigender Löhne ihren Überschuss stark reduziert. FRAGE: Aktuell liegen die Lohnsteigerungen in 0eutschland bereits deutlich über denen früherer /ahre und diese Tendenz setzt sich fort und mittlerweile haben wir auch den Mindestlohn. 0as hat aber bisher nicht bewirkt, dass sich die deutsche Leistungsbilanz in erforderlichem Ausma1 in 5ichtung Ausgleich bewegt, FLASSBECK: Noch im vergangenen Jahr sind die deutschen Tariflöhne extrem schwach – um nur wenig über zwei Prozent – gestiegen. Und der deutsche Konsum hat wesentlich geringer zugenommen als suggeriert wird. Gegen die Berechnung des BIP habe ich seit Längerem Bedenken, da zum Beispiel mit Blick auf die Leistungsbilanz, die Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Deutschen Bundesbank um 100 Mrd. Euro differieren. Und betrachten wir die deutschen Einzelhandelsumsätze, sehen wir, dass die seit einigen Quartalen schon stagnieren. Die Wirkung der Einführung des Mindestlohns war so gering, dass sie sich in der Statistik kaum bemerkbar gemacht hat. Wir brauchen mehr Lohndynamik. FRAGE: Aber einen höheren 6onsum und damit höhere Importe könnte man doch auch über Steuersenkungen für die 4erbraucher erreichen, FLASSBECK: Ja, man könnte die Mehrwertsteuer durchaus um z. B. fünf Prozent-Punkte senken. Auch das wäre zielführend in Richtung eines Abbaus des Leistungsbilanzüberschusses, wenn es durch höhere Verschuldung des Staates finanziert wird. FRAGE: Aber wäre eine Stärkung der inländischen Investitionstätigkeit nicht die beste Lösung, FLASSBECK: Aber bei den Investitionen der Unternehmen, auf die Sie zielen, funktioniert das offensichtlich nicht. Von einem konjunkturellen Boom, wie er oft gefeiert wird, sind wir weit entfernt. Deshalb sitzen die Unternehmen auf ihren Kassenbeständen und investieren allenfalls sehr zögerlich. Es bedarf mehr wirtschaftlichen Wachstums. Und wie erhalten wir das – über höhere Löhne und natürlich auch über höhere Schulden des Staates.