Im grünen Reich der Bollwerker
Naherholung und Umweltbildung im Moorwald in Südbollenhagen – Landschaftsgeschichte auf kleinstem Raum
Seine Entstehung verdankt der Wald Gewerbeansiedlungen am JadeWeser-Port. Das Gebiet ist etwa 150 Hektar groß.
SÜDBOLLENHAGEN Der Fasan mit seinem prächtigen Gefieder bleibt ruhig am Wegesrand sitzen und würdigt den Besucher kaum eines Blickes, in der Ferne ist der markante Gesang des Zilpzalp (ein Weidenlaubsänger) zu hören. Natur pur im Moorwald in Südbollenhagen (Kreis Wesermarsch).
Seine Entstehung verdankt der Wald Gewerbeansiedlungen im Rüstersieler Groden am Jade-Weser-Port. Die Stadt Wilhelmshaven suchte Ausgleichsflächen und wurde fündig bei der Flächenagentur des Landkreises Wesermarsch, die 150 Hektar in Südbollenhagen im Angebot hatte. 2008 pflanzten Kinder des Kindergartens und der Grundschule Mentzhausen die ersten Bäume und Büsche.
Torfschicht schrumpft
Bei der Anpflanzung wurde nichts dem Zufall überlassen, sondern vom Forstamt Neuenburg geplant: Erle, Birke und Vogelbeere für den anspruchslosen Moorboden, Eiche, Hainbuche und Esche für den Kleiboden. Die Bäume stehen in Reih und Glied. Für die erste Pflege sei das in Ordnung, sagt Rüdiger von Lemm, aber er hätte es gern urwüchsiger – so wie im etwa 150 Jahre alten Eichenmischwald, auf der anderen Seite des Weges. Der 60-Jährige gehört zu den Bollwerkern, einer Gemeinschaft von etwa 20 Männern und Frauen aus der Umgebung, und bietet regelmäßig Führungen im Moorwald an.
„Die Landschaftsgeschichte der Wesermarsch lässt sich im Moorwald auf kleinstem Raum erleben“, sagt er. Das Gebiet liegt zwei bis 2,50 Meter unterhalb des mittleren Hochwassers von 1,90 Metern im 15 Kilometer entfernten Strandbad Sehestedt. Ohne Deiche wäre der Moorwald permanent überflutet. „Wir befinden uns in einem ehemaligen Wattgebiet“, macht von Lemm deutlich.
Auf unserem Weg durch den Wald fallen hoch aus dem Erdreich ragende Baumwurzeln auf. „Das Moor löst sich in Luft auf“, sagt von Lemm und macht das an einem Bodenprofil deutlich. In vier Metern Tiefe stößt man in dem Gebiet auf eiszeitlichen Sand, Natur pur: Durch den Moorwald führt ein etwa 3,8 Kilometer langer Rundweg. Im grünen Klassenzimmer: die Bollwerker Rüdiger von Lemm und Dörte Wolff
darüber befinden sich eine Schicht Niedermoortorf und etwa 6000 Jahre alte Brackwasserablagerungen mit feinkörnigem Schlick. Als der Meeresspiegel zurückging, bildete sich darauf das Hochmoor. Die Schicht ist heute nur noch 90 Zentimeter dick. „Der Torf schrumpft jedes Jahr um vier Zentimeter und wird in Kohlendioxid umgewandelt“, erläutert der Bollwerker. Das passiert, wenn der Moorboden mit Luft in Berührung kommt – durch Entwässerung und intensive Nutzung.
Ein Reh überquert nur wenige Meter vor uns den Weg und verschwindet im Unterholz. Ob es Reißaus genommen hat vor dem Bolljad, einer Skulptur des Schrottkünstlers Willy Büsing, der in der Nähe des Moorwaldes wohnt? „Im vergangenen Jahr hat ein Vogel im linken Auge der Figur genistet“, erzählt
Bollwerkerin Dörte Wolff (59). Sie organisiert das Veranstaltungsprogramm im Moorwald.
Sprechende Brunnen
Auf dem Weg zum Teich kommen wir am „Wanderer“vorbei, eine Skulptur der Geschwister Wibke und Tammo Heumann von Galerie Schönhof in Jaderaußendeich. Der Teich ist bei Kindern sehr beliebt. Nach Herzenslust können sie dort mit ihren Keschern Frösche, Kaulquappen und Wasserflöhe fangen und unter die Lupe nehmen. Der Moorwald verbindet Naherholung und Umweltbildung. Ein beliebter Platz ist auch das grüne Klassenzimmer, wo naturpädagogische Aktionen für Kindergärten und Schulen stattfinden.
Wir sind zurück an der Erkundungsstation, wo Vogelstimmen vom Band unter anderem
von der Mönchsgrasmücke, vom Zilpzalp, Buchfink und Rotkehlchen zu hören sind, sowie viele weitere Informationen zu Flora und Fauna im Moorwald, der sich auf der anderen Seite der Dornebbe, einem Entwässerungskanal, auf 60 Hektar fortsetzt. Sprechende Brunnen, von Sonnenenergie angetrieben, nehmen die Besucher mit auf eine Zeitreise in die Landwirtschaft im Moor vor 100 Jahren.
Einen Gesamteindruck vom Moorwald bekommt der Besucher, wenn er den Baumkronenturm besteigt. Ganz oben haben sich die Bollwerker einen kleinen Spaß gemacht und nachmessen lassen: Von dort sind es 6000 Kilometer bis nach New York. Aber wer die Bollwerker kennt, kann sich kaum vorstellen, dass sie sich dort wohler fühlen würden als im Moorwald. Geheimnisvoll: Auf einem 300 Meter langen Bohlenweg über eine Feuchtwiese geht es zum Teich.