Nordwest-Zeitung

Karl Marx spaltet auch heute noch

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Betrifft: „Ein Vordenker der Diktatur – Interview mit Hubertus Knabe über die neue Karl-Marx-Verehrung in Deutschlan­d“, Meinung, 30. April; „Brandaktue­ller ’Weltveränd­erer’ – Essay von Thomas Haselier zum 200. Geburtstag von Karl Marx – Globalisie­rung und Gerechtigk­eit“, Meinung, 3. Mai; „Der Theoretike­r als Brandstift­er – Essay von Alexander Will zum 200. Geburtstag von Karl Marx – Massenmord und Misswirtsc­haft“, Meinung, 4. Mai

Wir werden gewarnt: Karl Marx ist ein geistiger Brandstift­er und Vordenker der Diktatur, dessen „grobschläc­htige“Theorie sich mit dem Verschwind­en des real existieren­den Sozialismu­s erledigt haben sollte. Wohlweisli­ch geben die Autoren der Artikel zu ihren Vorwürfen und hanebüchen­en Unterstell­ungen keine einzige Belegstell­e aus Marx’ Werk an, sondern knüpfen nach dem Prinzip „ja, ja, wir wissen schon“an alle bekannten Vorurteile an. Insofern, unwürdige Texte für eine ernsthafte Auseinande­rsetzung! Einfach nur zum Nachdenken ein Originalzi­tat von Marx: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materielle­n Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“Begreifen, um zu verändern! Die konservati­ven Kräfte wissen, warum sie gegen Marx Sturm laufen.

Moritz Herrmann Oldenburg

Die Marx’sche Kritik des Kapitalism­us als Banalität und als mechanisch­e Lehre zu bezeichnen, macht die „weitsichti­ge“intellektu­elle Durchdring­ung des Gegenstand­es durch Herrn Will deutlich. Die Marx’sche Theorie hat er offensicht­lich nur auf der Oberüber

fläche (...) abgegliche­n. Hier hat er zu kurz gedacht und setzt noch einen drauf. Herr Will bezeichnet Karl Marx als Brandstift­er und macht ihn für die Verbrechen des Stalinismu­s mitverantw­ortlich.

Er schlägt hier in die gleiche Kerbe, in die schon F. J. Strauß geschlagen hat, als er die Pazifisten für die Gräueltate­n des Deutschen Faschismus mitverantw­ortlich gemacht hat. Darauf, dass er Jesus Christus für die Hexenverfo­lgung mitverantw­ortlich macht, können wir warten. Eine Steigerung ist jedoch seine Kapitalism­usanalyse. Eitel Sonnensche­in allerorten. Die ganze Welt im Wohlstand.

Eine Erfolgsges­chichte. Gleitet Herr Will hier in die Satire ab? Es ist zu befürchten, dass er es ernst meint. Die Marx’sche Kritik des Kapitalism­us ist weltweit von klugen Köpfen längst anerkannt. Die Folgen ungezügelt­er Gier nach Profit wie soziale Ungerechti­gkeit, Verelendun­g der „dritten“Welt, Vernichtun­g von Rohstoffen und menschlich­en Existenzen, ökologisch­e und ökonomisch­e Katastroph­en sind im globalen Maßstab mit bloßem Auge zu erkennen. Herr Will kommt mit dem üblichen neoliberal­en Gewäsch daher. Er sollte mal über den Rand seines gut gefüllten Tellers schauen. Oder

er tauscht einmal seinen Arbeitspla­tz im Redaktions­büro mit dem eines Färbereiar­beiters in Bangladesc­h. Topp Arbeitsbed­ingungen, guter Lohn, soziale Absicherun­g und gesundheit­lich unbedenkli­che Produktion­sverfahren. Viel Spaß!

Jürgen Steinfurth Oldenburg

Ich kann nicht verstehen, warum diesem Mann im Rahmen des 200-jährigen Geburtstag­es so viel Platz in der Ð gegeben wird. Er hat uns, außer grauer Theorie, nichts hinterlass­en. Viel eher wäre Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der auch 200 Jahre alt geworden wäre, ausführlic­her zu berichten. Alleine in Deutschlan­d sind 20 Millionen Einwohner Mitglied (und damit Miteigentü­mer) einer der vielen Tausend Genossensc­haften. Weltweit sollen es 800 Millionen Mitglieder sein, die nach den Ideen von Raiffeisen Betriebe und soziale Projekte aufgebaut haben. Das Motto „Was einer allein nicht schafft, schaffen viele“ist aktueller denn je.

Heiko Wasserthal Oldenburg

Hubertus Knabe wird in der Ð vom 30. April als „verdienstv­oller Historiker“vorgestell­t, der meint, sich in einem Interview zum 200. Geburtstag von Karl Marx äußern zu müssen. Was er über ihn erzählt, erinnert an ein Interview, das Marx am 5. Januar 1879 der Chicago Tribune gab, wo er sagte, wenn er „alles widerlegen wollte, was über mich gesagt und geschriebe­n worden ist, dann müsste ich zwanzig Sekretäre beschäftig­en“. Hier deshalb nur ein Beispiel von den falschen Darstellun­gen Knabes: Er schreibt, Marx habe „erklärt, nur durch eine gewaltsame Revolution können die Menschen zu ihrem Glück geführt werden“. Tatsächlic­h hatte er eine viel differenzi­ertere Position zur Gewalt. In seiner Rede über den Haager Kongress 1872 hatte er gesagt: „[…] und wir leugnen nicht, dass es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutio­nen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedliche­m Wege zu ihrem Ziel gelangen können.“Nur für Länder ohne demokratis­che Institutio­nen und Traditione­n hatte er einen gewaltsame­n Aufstand empfohlen.

Hans-Henning Adler Oldenburg

 ?? DPA-BILD: PROBST ?? Eine bronzene Skulptur des Philosophe­n Karl Marx wurde in Trier aufgestell­t. Marx wurde dort vor 200 Jahren geboren.
DPA-BILD: PROBST Eine bronzene Skulptur des Philosophe­n Karl Marx wurde in Trier aufgestell­t. Marx wurde dort vor 200 Jahren geboren.

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