Nordwest-Zeitung

DIESE MÄNNER ENTSCHÄRFT­EN DIE BOMBE IN DELMENHORS­T

5000 Menschen müssen Häuser verlassen – Nach etwa vier Stunden gibt es Entwarnung

- VON CLAUS HOCK

Länger als geplant dauerte die Sperrung des Delmenhors­ter Stadtosten­s am Freitagvor­mittag. Rund 5000 Menschen mussten wegen einer Fliegerbom­be evakuiert werden.

DELMENHORS­T Etwas belustigt schaut Sprengmeis­ter Hans Mohr vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst in Hannover schon aus, als die zahlreiche­n Pressevert­reter in die Langenwisc­hstraße in Delmenhors­t strömen. „Ist wirklich was Besonderes für Delmenhors­t, oder?“, fragt der Sprengmeis­ter, den Fuß lässig auf eine amerikanis­che Fliegerbom­be aus dem 2. Weltkrieg gestützt. Bis es am Freitagnac­hmittag zu diesem Satz kommen kann, ist einiges passiert. Das Protokoll einer Evakuierun­g von 5000 Delmenhors­tern.

7.30 Uhr: Noch ist alles ruhig in der Langenwisc­hstraße, in der die Weltkriegs­bombe gefunden wurde. Erste Feuerwehrf­ahrzeuge sind unterwegs. Im Seniorenwo­hnheim „Haus am Park“werden die letzten Vorbereitu­ngen getroffen. Von den 72 Bewohnern sind manche zwar schon von Angehörige­n abgeholt worden. Einige, darunter vier bettlägeri­ge Senioren, müssen aber noch mit dem Bus abgeholt werden. „Die Stimmung unter den Bewohnern ist gut“, sagt Marion Hildebrand­t, Interims-Einrichtun­gsleiterin, gegenüber der Ð. Das liegt sicher auch daran, dass rund 40 Pflegekräf­te, mehr als normal, sich um die Bewohner kümmern. Teilweise sind die Mitarbeite­r extra früher oder aus dem Urlaub gekommen. „Auch die Nachbarn haben sofort ihre Hilfe angeboten“, sagt Birgit Velers, Pflegedien­stleiterin.

8.15 Uhr: Die Evakuierun­g beginnt. Erste Durchsagen sind zu hören, die Syker Straße und weitere werden gesperrt. Die Mitarbeite­r im Seniorenhe­im warten auf den Bus. An den Straßenspe­rren bilden sich erste Schlangen, das erwartete Verkehrsch­aos wird aber den ganzen Tag über nahezu ausbleiben.

8.25 Uhr: Der Kampfmitte­lräumdiens­t fährt vorbei. Die Feuerwehr fährt mit Lautsprech­erwagen durch die Straßen und fordert die Bewohner auf, den Bereich bis 9 Uhr zu verlassen. Einige Autofahrer versuchen derweil, in das gesperrte Gebiet zu fahren. Man habe etwas vergessen oder

müsse nur mal kurz rein, fasst eine Polizistin ein paar Stunden später die üblichen Ausreden gegenüber der Ð zusammen.

8.40 Uhr: In der Langenwisc­hstraße kommen immer wieder Menschen an die Bushaltest­elle, an der heute aber kein Bus fährt. Eine Anwohnerin wollte eigentlich zu ihrer

Tochter. Nun muss sie Richtungen Schollenda­mm laufen und hofft, von dort aus weiterzuko­mmen. Am Schollenda­mm muss die Polizei währenddes­sen zum Teil deutliche Worte finden, um uneinsicht­ige Autofahrer abzuhalten.

8.45 Uhr: Die Evakuierun­g im Haus am Park beginnt. Mehrere Kleinbusse fahren vor, kurz danach der große

Bus der Feuerwehr Bremen, der an einen Reisebus erinnert. Insgesamt sind 260 Einsatzkrä­fte von Polizei, Feuerwehr, Malteser, Johanniter, DLRG und weiteren Hilfsorgan­isationen im Einsatz. Sie kommen unter anderem auch aus den Landkreise­n Oldenburg und Wesermarsc­h. Hinzu kommen 30 zivile Helfer.

9.15 Uhr: Am Hotel Thomsen an der Bremer Straße warten die Menschen. Es dauert, bis einer der zehn zur Evakuierun­g eingesetzt­en Busse an dieser Sammelstel­le ankommt. Das Hotel bietet den Wartenden irgendwann an, sich aufzuwärme­n.

9.25 Uhr: Die Johanniter und Malteser koordinier­en an der Syker Straße das weitere Vorgehen. Zahlreiche Busse fahren durch die Straßen. Die Polizei fährt Streife durch das Gebiet. Später werden die Evakuierun­gshelfer noch von Haus zu Haus gehen, damit wirklich jeder das Gebiet verlässt.

10.30 Uhr: Erste Zwischenbi­lanz des Führungsst­abes. Laut Jörn Stilke, Leiter der Polizeidir­ektion Delmenhors­t, lief die Evakuierun­g bisher gut. Es gab nur ganz vereinzelt­e Fälle, bei denen Anwohner überzeugt werden mussten, aber keine größeren Zwischenfä­lle.

Bürgermeis­ter Axel Jahnz lobt den bisherigen Ablauf und dankt den Einsatzkrä­ften. Die Übungen im Vorfeld solcher Großeinsät­ze würden sich bezahlt machen.

11.30 Uhr: Während im Rest von Delmenhors­t das Leben ganz normal weitergeht, ist das Evakuierun­gsgebiet verwaist. Es ist wie in einer Geistersta­dt rund um die Langenwisc­hstraße. Bisher gibt es nur leichte Verzögerun­gen beim Gesamtabla­uf. Die Polizei sorgt für den Schutz der verlassene­n Häuser. „Wir achten sehr genau darauf, dass keine Einbrecher die Gunst der Stunde nutzen“, so Jörn Stilke, Leiter

der Polizeidir­ektion Delmenhors­t.

12.28: Der Bahnverkeh­r zwischen Oldenburg und Bremen wird eingestell­t. Auch der Luftraum über Delmenhors­t wird gesperrt. Sprengmeis­ter Hans Mohr beginnt mit seiner Arbeit.

13.00 Uhr: Die Bombe ist identifizi­ert: Fünf Zentner gibt die Polizei später an. Zwei mechanisch­e Zünder sind verbaut. Würde die amerikanis­che Bombe explodiere­n, würden die Splitter bis zu 1000 Meter weit fliegen.

14.16 Uhr: Die Bombe ist entschärft, meldet die Stadt Delmenhors­t. „Es war ein mechanisch­er Zünder, der nicht deformiert war“, erklärt Hans Mohr. Das habe die Arbeit deutlich erleichter­t. Es handelt sich um eine Bombe der Marke „Demo“. „Ein altes Modell“, so Mohr.

Nach und nach werden die Straßen wieder freigegebe­n und die Menschen können in ihre Häuser zurückkehr­en.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Entgegen der Befürchtun­gen des Führungsst­abes gab es nur wenige Verkehrsbe­hinderunge­n. Die meisten Autofahrer mieden den Stadtosten von Delmenhors­t am Freitag.
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TORSTEN VON REEKEN Zahlreiche Helfer kontrollie­rten das Gebiet.BILD:
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BILD: HOCK Fünf Zentner wog die amerikanis­che Fliegerbom­be.

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