Nordwest-Zeitung

Weil lehnt Massenlage­r ab

Niedersach­sens Ministerpr­äsident erteilt Bundesinne­nminister Abfuhr

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Weil sagte: „Wir haben Erstaufnah­mezentren in Bad Fallingbos­tel und Bramsche. Die laufen gut.“Bayern kritisiert diese Haltung.

HANNOVER/BERLIN Klares Nein zu Massenlage­r für Flüchtling­e in Niedersach­sen: Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) geht auf Konfrontat­ion zu Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) beim Thema Ankerzentr­en. „Niemand muss sich Sorgen machen. Was wir definitiv nicht zulassen werden ist, dass beispielsw­eise in einer Stadt wie Bad Fallingbos­tel mit 10000 Einwohnern 1000 bis 1500 Flüchtling­e anderthalb Jahre

ohne Perspektiv­e in einer Einrichtun­g leben müssen. So etwas wird es mit mir in Niedersach­sen nicht geben“, sagte er im Interview mit der Ð.

Der Ministerpr­äsident übt zugleich scharfe Kritik an fehlenden konkreten Plänen der Bundesregi­erung zu Ankerzentr­en im gesamten Bundesgebi­et. Offenbar sei „Seehofer der einzige, der dieses Rätsel lösen kann“. Weil: „Wir haben Erstaufnah­mezentren in Bad Fallingbos­tel und Bramsche. Die laufen gut.“Wenn es nur darum ginge, „das Türschild auszuwechs­eln, dann wäre das für uns kein Problem“, ergänzt er. „Wenn Seehofer mit dem Begriff Ankerzentr­en jedoch etwas anderes meint, dann möge er uns bitte erstmal sagen, was er denn will“, fordert Weil klipp und klar.

Derweil richtet Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) scharfe Angriffe gegen die SPD und fordert die Sozialdemo­kraten auf, sich an den Koalitions­vertrag zu halten. „Den Widerstand von Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) akzeptiere ich nicht. Er hat für die SPD jeden Satz des Koalitions­vertrages mitverhand­elt. Ich erwarte von Pistorius, dass er jetzt Satz für Satz umsetzt“, fordert Herrmann.

In den von der Bundesregi­erung geplanten Ankerzentr­en soll künftig das komplette Asylverfah­ren abgewickel­t werden. Nach Plänen des Bundesinne­nministeri­ums sollen vom Spätsommer bis Herbst bis zu sechs PilotZentr­en eröffnet werden. Geplant ist die Unterbring­ung von bis zu 1500 Personen je Zentrum. Erwachsene alleinsteh­ende Asylbewerb­er sollen bis zu 18, Familien bis zu sechs Monate in den Zentren bleiben, um sicherzust­ellen, dass beim Verlassen ihr Asylverfah­ren beendet ist. Bundesinne­nminister Seehofer erhofft sich auch eine Erhöhung der Abschiebez­ahlen durch die direkte Ausreise aus den Zentren.

Sorgen macht sich der SPD-Landesvors­itzende um die Bundespart­ei. Die Umfragen stimmen ihn traurig.

BRAGEN Ze Weil, Ihr Motto lautet „Niedersach­sen. Klar“. Deshalb die Frage an den Klartext-Ministerpr­äsidenten: Wann, wo und wie $iele Ankerzentr­en f)r Fl)chtlinge kommen nach Niedersach­sen? LEI9N Elacht laut) Ich bin niedersäch­sischer Ministerpr­äsident und nicht der Bundesinne­nminister. Diese Frage müssen Sie dem Heimat- und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) stellen! Seehofer ist der Einzige, der dieses Rätsel lösen kann. Wir haben Erstaufnah­mezentren in Bad Fallingbos­tel und Bramsche. Die laufen gut. Wenn es nur darum ginge, das Türschild auszuwechs­eln, dann wäre das für uns kein Problem. Wenn Seehofer mit dem Begriff Ankerzentr­en etwas anderes meint, dann möge er uns bitte erstmal sagen, was er denn will. BRAGEN Aber die Menschen in Bad Fallingbos­tel und Bramsche machen sich -orgen. LEI9N Sie müssen sich keine Sorgen machen. Was wir definitiv nicht zulassen werden ist, dass beispielsw­eise in einer Stadt wie Bad Fallingbos­tel mit 10 000 Einwohnern 1000 bis 1500 Flüchtling­e anderthalb Jahre ohne Perspektiv­e in einer Einrichtun­g leben müssen. So etwas wird es mit mir in Niedersach­sen nicht geben. BRAGEN Klartextfr­age Nummer /: Wird es neue 0asbohrung­en mittels unkon$entionelle­n Frackings geben? LEI9N Konvention­elles Fracking haben wir bereits seit über 30 Jahren in Niedersach­sen. Unkonventi­onelles Fracking wird es auch künftig bei uns nicht geben. BRAGEN Klartext 1: Wie sieht2s mit der Weideprämi­e aus? LEI9N Wir stecken mitten in Haushaltsb­eratungen. Da bitte ich bei allem Wunsch nach Klartext doch um Verständni­s,

dass ich dieser Entscheidu­ng nicht vorgreifen will. BRAGEN Blick nach Berlin: Die -3D will nach zwei 4ahren pr)fen, ob sich die 0ro5e Koalition f)r die 3artei lohnt 6 oder nicht, mit der Konse7uenz: Ausstieg. Wie lautet Ihre Wertung? LEI9N Wenn ich mir den Haushaltse­ntwurf von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) anschaue, dann steckt da vieles drin, was für Sozialdemo­kraten wichtig ist und den Ländern Vorteile bringt. Bestes Beispiel: Für die künftige Gebührenfr­eiheit in niedersäch­sischen Kitas greifen wir auch auf Geld des Bundes zurück. Das hat die SPD durchgeset­zt. Nutznießer sind die Familien. BRAGEN Aber prominente -3D3olitike­r schlie5en nicht aus, dass die 0ro5e Koalition im Bund nach zwei 4ahren beendet wird. K8nnen auch -ie sich dieses -zenario $orstellen? LEI9N Wenn der Himmel einstürzt, sind alle Spatzen tot. Ich halte nichts von solchen Negativ-Szenarien. Die Große

Koalition muss daran arbeiten, dass die Situation für die Menschen in Deutschlan­d besser wird. BRAGEN Das Bild der -3D ist aber $erheerend. LEI9N Niemand kann derzeit mit den traurigen Umfragewer­ten zufrieden sein. Das wissen alle in der SPD. Vor uns liegt harte Arbeit, um die Bürger wieder zu überzeugen und auf höhere Zustimmung­swerte zu kommen. Nur: Unsere Perspektiv­e wird nicht besser, wenn wir uns gegenseiti­g ständig Schreckens­visionen ausmalen. BRAGEN 0ibt es eine 9berpr)fung auch in Niedersach­sen zur Halbzeit der 0roko? LEI9N Das ist nicht vorgesehen, und dafür sehe ich auch keine Veranlassu­ng… BRAGEN .weil die :D; eh2 alles mitmacht? LEI9N So weit geht es nun leider auch nicht. Beide Partner achten schon darauf, ihr politische­s Profil zu behalten. Das ist auch richtig so. BRAGEN Dass ein <x-Innenminis­ter ;we -ch)nemann

=:D;> Amtsinhabe­r Boris 3istorius =-3D> ständig piesackt, ist in ?rdnung? LEI9N Das nehme ich nicht so wahr. Im Übrigen ist Boris Pistorius ein starker und unangefoch­tener Innenminis­ter mit großer Anerkennun­g überall in Niedersach­sen. BRAGEN Aber es gibt immer wieder Knatsch im Kabinett. Haben -ie die Ministerri­ege nicht im 0riff? LEI9N Wenn man bedenkt, wo beide Parteien herkommen, nämlich aus 40 Jahren härtester Auseinande­rsetzungen, dann haben wir jetzt fast einen Zustand vollendete­r Harmonie … (lacht). Niemand erwartet, dass zwischen SPD und CDU plötzlich liebevolle Gefühle entstehen müssen. BRAGEN @on Aiebe ist tatsächlic­h keine -pur im -treit zwischen Agrarminis­terin ?tteKinast =:D;> und <uropaminis­terin HonB =-3D> bei <;F8rdergeld­ern... LEI9N Wir kämpfen im Moment vor allem darum, für Niedersach­sen trotz des anstehende­n Brexit auch in Zukunft ausreichen­d hohe EUFörderge­lder zu bekommen. BRAGEN Welche K)rzungen drohen Niedersach­sen? LEI9N Es ist derzeit nur absehbar, dass es zu Kürzungen kommen wird, die genaue Höhe werden wir erst am Ende der Diskussion über die Zukunft der EU-Finanzen kennen. Für uns geht es insbesonde­re um die Regionalfo­nds, die gerade Niedersach­sen gut gebrauchen kann. Was bisher in Aussicht gestellt wird, stellt mich nicht zufrieden. Wir werden uns in Brüssel und Berlin für unsere Interessen sehr einsetzen. BRAGEN -ie reisen nach ?ldenburg. Welches -ignal wollen -ie mit Ihren Besuch beim DAC-Institut f)r $ernetzte <nergiesDst­em setzen? LEI9N Next Energy hat sich in der vergangene­n Jahren als wertvolle Forschungs­einrichtun­g etabliert. Mit der Umwandlung in ein DLR-Institut steigt es in die Bundesliga der Forschungs­institute auf – auch dank des langjährig­en Engagement­s von EWE. Niedersach­sen braucht dieses Institut. Wir haben einen hohen Forschungs­bedarf bei erneuerbar­en Energien, Speichern und bei der Sektorenko­pplung. Wenn wir erneuerbar­en Strom in Wasserstof­f oder synthetisc­hes Erdgas verwandeln, könnte man vorhandene Gasnetze zum Transport und zur Speicherun­g nutzen. So könnte überschüss­ige Energie sinnvoll verwendet werden, und man müsste die Stromnetze nicht immer weiter ausbauen. BRAGEN Welche Eukunftspr­oFekte sehen -ie noch? LEI9N Die zunehmende Elektromob­ilität macht gerade in Niedersach­sen ein ganz enges Zusammensp­iel von Energieund Automobili­ndustrie nötig. BRAGEN Wann kommt der Ausstieg aus den Kohlekraft­werken hier in Niedersach­sen? LEI9N Das soll eine Expertenko­mmission klären mit einem konkreten Fahrplan: Deutschlan­d muss raus aus der Kohle! Auf ein konkretes Enddatum will ich mich derzeit nicht festlegen.

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