Nordwest-Zeitung

VFL-HANDBALLER­IN WENZL BEENDET KARRIERE

Oldenburge­rs Nummer 9 beendet heute ihre Karriere – Weltmeiste­rin und Pokalsiege­rin

- VON OTTO-ULRICH BALS

Mehr als zwölf Jahre spielte Julia Wenzl in der Handball-Bundesliga. In Oldenburg hat sie das goldene VfL-Jahrzehnt entscheide­nd mitgeprägt.

OLDENBURG Sie wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen. Ein Pokalsieg schweißt schließlic­h zusammen. Wenn die Handballer­innen des VfL Oldenburg an diesem Samstag beim letzten Saisonspie­l gegen die Neckarsulm­er Sportunion (18 Uhr, kleine EWE-Arena) fünf verdienstv­olle Spielerinn­en verabschie­den werden, wird sicherlich auch die eine oder andere Träne fließen. „Was gibt es Schöneres als mit einem Titel zu gehen?“, sagt Julia Wenzl, räumt aber ein: „Das wird ein trauriger Moment, aber am Ende überwiegt hoffentlic­h die Freude.“

Fünf Verabschie­dungen

Außer „Jule“werden auch Jennifer Winter (beide Karriereen­de), Madita Kohorst (TuS Metzingen), Malene Staal (Buxtehuder SV) und Simone Spur Petersen (HSG Bensheim) den jetzt viermalige­n deutschen Pokalsiege­r verlassen. Sie alle haben ihren Anteil am Erfolg, aber keine von ihnen hat das grün-weiße VfLTrikot so lange getragen wie Wenzl, die seit 2007 für die Oldenburge­rinnen aufläuft.

Einzig Spielführe­rin Kim Birke (seit 2005) ist noch zwei Jahre länger dabei – die 30jährige Linksaußen hat ihren Rücktritt bereits für Sommer 2019 angekündig­t.

Die Verantwort­lichen, die Mitspieler­innen und das Trainer-Team beim VfL hätten Wenzl nur zu gern noch im Kader behalten. „Mit 28 Jahren ist sie eigentlich noch zu jung, um ihre Laufbahn zu beenden“, sagt Peter Görgen, Geschäftsf­ührer der VfL Oldenburg

GmbH. Und wer die letzten Auftritte von „Jule“in der Bundesliga und jüngst bei der Pokalendru­nde „Final Four“in Stuttgart gesehen hat, kann den Tenor nur zu gut verstehen.

Wenzl zählte in den Ligaspiele­n durchgängi­g zu den besten VfL-Spielerinn­en (bisher 111 Tore), und auch beim Pokal-Coup avancierte die dreimalige Nationalsp­ielerin zur treibenden Kraft, war eine der Matchwinne­rinnen. Mit zehn Treffern im Halbfinale gegen Bad Wildungen (33:29) warf sie zuerst den Weg ins Finale frei, im Endspiel gegen Bietigheim (29:28) verwandelt­e sie nervenstar­k einen Siebenmete­r

zum ganz wichtigen 20:20-Ausgleich (41. Minute).

Keine Frage, das erfolgreic­hste Kapitel – das goldene Jahrzehnt in der Geschichte der Handballer­innen des VfL Oldenburg – ist eng verbunden mit dem Namen von „Jule“Wenzl. Die torgefährl­iche Rückraumsp­ielerin zählte bei den DHB-Pokalsiege­n 2009, 2012 und 2018 ebenso zum grün-weißen Erfolgstea­m wie bei den Oldenburge­r Titelgewin­nen im europäisch­en Challenge-Cup (2008) und nationalen Supercup (2009).

Wenn man die junge Frau nun fragt, was der vielleicht schönste Moment in ihrer Karriere war, kommt sie schnell ins Grübeln. Alles sei für sich genommen etwas Außergewöh­nliches, betont sie. Es gab aber auch bittere Momente. So musste die gelernte Bürokauffr­au zwischen Oktober 2015 und März 2017 komplett aussetzen. Umso erstaunlic­her, wie sie sich nach der schweren Knieverlet­zung am hinteren Kreuzband zurückkämp­fte. Wenzl hatte im Herbst 2015 im erweiterte­n deutschen WM-Kader gestanden, als die Verletzung eine hoffnungsv­olle Nationalma­nnschaftsk­arriere zunichte machte.

Liga-Debüt im Jahr 2006

Die gebürtige Gießenerin stammt aus einer handballve­rrückten Familie. Über den TV Lützellind­en kam sie 2005 ins Sportinter­nat des Thüringer HC. Und nur einen Tag nach ihrem sechzehnte­n Geburtstag am 4. Februar 2006 gab sie ihr Bundesliga-Debüt gegen Bayer Leverkusen. „Das war schon witzig. So etwas vergisst man nicht. Wir haben hoch gewonnen. An das Ergebnis kann ich mich aber nicht mehr erinnern“, überlegt Wenzl. Die Ð-Sportredak­tion hilft gern: Der THC mit Wenzl siegte mit 31:27.

Im Sommer 2007 folgte dann der Wechsel nach Oldenburg. Der damalige VfLCheftra­iner Leszek Krowicki hatte ein gutes Näschen bewiesen. Wenzl, die insgesamt 54-mal für deutsche Jugendund Juniorinne­n-Nationalte­ams auflief, reifte in Oldenburg zu einer Spitzenspi­elerin heran, die so ganz nebenbei auch noch 2008 mit den DHBJuniori­nnen den bislang einzigen Weltmeiste­rtitel in dieser Altersklas­se für Deutschlan­d gewann.

Vorfreude auf Freizeit

Das alles ist nun am Samstagabe­nd Geschichte. „Nach zwölfeinha­lb Jahren in der Bundesliga kann man sich das wohl schon geben“, entschuldi­gt sie sich fast für ihren Abschied. Wie sie erzählt, möchte sie ihr Leben jetzt erst einmal selbst bestimmen und in den Urlaub fahren, wenn sie dazu Lust hat. „Der Leistungss­port hat so lange alles vorgegeben. Für vier Wochen im Jahr vielleicht durfte ich selbst entscheide­n. Dass das jetzt nicht mehr so ist, darauf freue ich mich“, sagt die sympathisc­he Sportlerin.

Abschiedst­ränen wird aber auch sie, die starke VfL-Frau, an diesem Samstag wohl nicht verhindern können.

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BILD: HELMERICHS
 ?? BILD: PIET MEYER ?? Konzentrie­rt auf den Torerfolg: Oldenburgs Julia Wenzl beendet an diesem Samstag ihre Laufbahn.
BILD: PIET MEYER Konzentrie­rt auf den Torerfolg: Oldenburgs Julia Wenzl beendet an diesem Samstag ihre Laufbahn.

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