Nordwest-Zeitung

Zauberer mit Stift und Kamera

Werke von Man )ay im Oldenburge­r Horst-Janssen-Museum

- VON JÜRGEN WEICHARDT

Er gilt als „Magier auf Papier“und zählt zu den einflussre­ichsten Künstlern des 20. Jahrhunder­ts. Die umfangreic­he Oldenburge­r Schau bietet sogar eine Werkstatt zum Nachmachen an.

OLDENBURG Der Künstler, 1890 als Emanuel Radnitzky in Philadelph­ia geboren, zählt einerseits zu den Spitzen der Dadaismus-Bewegung, anderersei­ts auch zu den Wegbereite­rn der modernen Fotografie. Ausgebilde­t war er als Maler, aber die anregende Begegnung mit Marcel Duchamp im Jahr 1915, der den amerikanis­chen Freund stets gefördert hatte, öffnete ihm den Zugang zur experiment­ellen Objekt- und Fotokunst und nicht zuletzt nach dem Ersten Weltkrieg die Aufnahme in jene französisc­he Avantgarde, für die die Malerei zunächst überwunden schien.

Die amerikanis­che Gesellscha­ft hatte weder Interesse für DADA-Skandale noch für Malerei-Experiment­e. Darum der Umzug nach Paris.

Fotos ohne Kamera

Da die Porträtfot­ografie nicht unwesentli­ch zum Lebensunte­rhalt des Künstlers Man Ray beigetrage­n hatte, fand er Kontakt zu vielen Kollegen. Dass seine Arbeit, insbesonde­re die experiment­elle Fotografie, sehr anerkannt wurde, führte ihn bald in Ausstellun­gen des Dadaistenu­nd wenig später auch des Surrealist­en-Kreises, dem Man Ray stets treu geblieben ist.

Er hat, wie er einmal schrieb, fotografie­rt, was er nicht malen konnte, und gemalt, was er nicht fotografie­ren wollte. Vor allem waren es „Fotos ohne Kamera“, die entstanden, wenn Objekte oder Papiere auf lichtempfi­ndliches Fotopapier gelegt werden, die der Künstler als „Rayographi­e“bezeichnet hat, die von Kollegen und Publikum geschätzt wurden.

Eine kleine Werkstatt inmitten der Ausstellun­g ermöglicht Interessie­rten die Nachahmung der Technik. Und daneben spielte die „inszeniert­e Portraitfo­tografie“

eine wichtige Rolle, bei der Personen verkleidet, Körper bemalt wie die berühmte „Violin d’Ingres“oder mehrfach belichtet wurden. Er fotografie­re nicht die Natur, er fotografie­re seine Visionen, sagt Man Ray.

Ein umfangreic­her Teil der Oldenburge­r Ausstellun­g zeigt nun im Horst-Janssen-Musik zahlreiche Grafik-Editionen des Künstlers aus den siebziger Jahren. Auch da erweist er sich als ein Meister jener leichten, doch präzisen Linienführ­ung, wie sie beson-

ders von den Surrealist­en gepflegt wurde: Einfache Linien, die ein Gesicht oder einen Gegenstand konturiere­n und mit wenigen Kurven zu ganz anderen Formen kommen. Die Verwandlun­g ist da ein Prinzip dieser Arbeiten.

Spiel mit Linien

Und sie verdeutlic­ht, das nichts so ist, wie es scheint, sondern immer viel mehr: Man Rays Magie ist, dieses Mehr an Formen und Deutungen sichtbar zu machen. Das ist seine Arbeit – „man mag mich hinterher kritisiere­n, es ist zu spät. Meine Arbeit ist getan. Ich habe Freiheit geschmeckt“.

Mancher mag sich fragen, wo da die Beziehunge­n zu Horst Janssen (1929–1995) zu sehen sind: In den fünfziger Jahren, als Horst Janssen noch studierte, wurden Man Ray und die Surrealist­en in Deutschlan­d bekannt, und ein Kunststude­nt, der sich nicht der ungegenstä­ndlichen Malerei ausliefern wollte, konnte im Verwandeln des Gegebenen und im Spiel mit den Linien viele Anregungen finden.

Die Ausstellun­g von Werken von Man Ray ist gewiss ein Höhepunkt in der noch kurzen Geschichte des Oldenburge­r Horst-Janssen-Museums.

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BILD: VG BILDKUNST BONN Ein schöner Rücken kann entzücken: „Le Violon d’Ingres“entstand im Jahr 1924

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