Chance zu spät genutzt
Als sich am Donnerstagabend Pfefferspray übers Lefferseck legte, war eine große Chance vertan. Die Chance, es allen Erwartungen zum Trotze diesmal etwas anders zu machen und vielleicht eine neue Form der Stärke zu zeigen: Dialog auf Augenhöhe, Transparenz, Kompromissbereitschaft. Ein Feld, das in der jüngsten Vergangenheit nicht nur in Oldenburg strapaziert wurde. Ja, es war gutes und demokratisches Recht der Versammlungsteilnehmer, die eigenen Probleme und die Missverhältnisse in der Welt öffentlich ins Gedächtnis zu rufen und zu erläutern. Und ja, angesichts der „wütenden Demo“war es ebenso richtig und wichtig, Vorkehrungen zu treffen, den Innenstadtbereich vor einer möglichen Eskalation zu schützen. Aber weshalb wurden Gesprächsangebote der Polizei sogleich im Keim erstickt, warum sich nicht im Vorfeld auf eine verträgliche Marschroute einigen? Die Demo war nicht angemeldet, die Behörden – gegen die sich der Zug insbesondere richtete – gaben trotzdem vor Ort ihr Okay, wenngleich für einen anderen Weg. Den wollte ein kleiner Teil der Demonstranten aber nicht gehen, vielmehr mit dem Kopf durch die polizeiliche Wand. Womit man nicht nur sich selbst, sondern auch dem Ansinnen der friedlich für Kurdistan und Solidarität protestierenden Masse einen Bärendienst erwies. Es muss jedoch auch gefragt werden, weshalb beim gebündelten Vorstoß derart viel Pfefferspray versprüht wurde. Über die bloße Rechtmäßigkeit und das Maß der eingesetzten Mittel wird in der Nachbetrachtung entschieden. Dass es jedoch überhaupt so weit kommen musste, ist nicht allein eine Frage von Recht und Ordnung, sondern von Dialogfähigkeit und -bereitschaft. Immerhin: Später zeigte sich, dass eine Einigung sehr wohl funktionieren kann. Leider erst, nachdem es auf beiden Seiten Verletzte gab.
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