Digitale Medizin und Telemedizin
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung unterliegt derzeit einem nachhaltigen Veränderungsprozess. Die Bedenken vieler Ärzte besteht darin, dass zunehmend ökonomische und betriebswirtschaftliche Aspekte die medizinische Versorgung prägen. Die Gesellschaft für Innere Medizin hat aus Sorge, dass mit diesen Entwicklungen eine am Patientenwohl orientierte Betreuung aus dem Blickfeld gerät, unter dem Slogan „Medizin vor Ökonomie“einen Kodex entwickelt, der eine adäquate patientenorientierte Medizin sicherstellen soll.
Sicher ist, man kann die neuen Möglichkeiten der digitalen Medizin, insbesondere bei Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen, in der Überwachung der Therapie und Diagnostik sehr gut nutzen. Die Erfassung von Gesundheitsdaten in Klinik und Praxis mit der Möglichkeit der Speicherung und Weitergabe von Daten im Rahmen einer interdisziplinären Betreuung, sind schon heute nicht mehr wegzudenken.
Als neuester Trend mit dem sich aktuell der Ärztetag befassen musste, ist die Einführung einer telemedizinischen Betreuung. Bereits jetzt gibt es in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein ein Modellprojekt, welches eine telemedizinische Beratung und Betreuung ohne vorherigen persönlichen Arztkontakt ermöglicht. Patienten, die Ihren Arzt nicht erreichen, können über eine App oder telefonisch mit einem CallCenter Kontakt aufnehmen. Medizinische Fachkräfte nehmen die Personalien auf und erfragen die Akutsymptome. Sollte es sich um einen Notfall handeln, wird eine Rettungsstelle eingeschaltet, im anderen Fall wird ein Arztkontakt organisiert.
Die Entwicklung hat ihre Ursachen in der Erkenntnis, dass vor allem in ländlichen Gebieten Ärzte fehlen. Darüber hinaus hat die Zahl der Bagatellfälle in Krankenhausambulanzen dramatisch zugenommen. Mit dem neuen System soll die Fehlsteuerung eingedämmt werden.
Dennoch ist und bleibt der direkte persönliche Kontakt Arzt/Patient der beste Weg zu einer erfolgreichen Betreuung. Es darf deshalb der Patient nicht in die vermeintlich kostengünstigere Fern- oder telemedizinische Behandlung gedrängt werden. Es sollte und muss genau überlegt werden, wer Träger eines solchen Call-Centers wird. Die kommerzielle Verwertung muss auch im Hinblick auf Datensicherheit eine ganz besondere Aufmerksamkeit haben.
Da die bisherige Berufsordnung eine telemedizinische Betreuung, ohne einen primären persönlichen Patienten/ Arztkontakt nicht erlaubt, werden die Ärztekammern diskutieren müssen, in welcher Form man mit dem Beschluss des Ärztetages umgeht und die Berufsordnung ändert.
Die Öffentlichkeit wird sehr genau wissen wollen, wie ihre Patientenrechte in Zukunft gewahrt werden. Es ist selbstverständlich, dass neue Möglichkeiten der Kommunikation auch in die Medizin eingeführt werden und hilfreich sein können. Dabei muss aber sichergestellt sein, dass nicht betriebswirtschaftliche oder kommerzielle Interessen Vorrang haben. Die Patienten sollen wissen, dass ihre Ärzte die Rechte der Patienten verteidigen.