Nordwest-Zeitung

Barocke Klöster und heiße Schokolade

Radwandern entlang der Elbe – 234 Kilometer langes Teilstück 2008 ins Leben gerufen

- VON MICHAEL JUHRAN

0er Elberadweg ist Deutschlan­ds beliebtest­er Radfernweg. Lohnenswer­t ist aber auch das tschechisc­he Teilstück der Route. 234 Kilometer mit dem E-Bike am Wasser entlang.

KUKS Das Grün der Elbauen, barocke Stadtarchi­tektur, die Basaltfels­en des Böhmischen Mittelgebi­rges: Der tschechisc­he Teil des Elberadweg­s verspricht viele Höhepunkte. Leider regnet es am Anfang der Tour in Strömen. Tourleiter Sven Czastka schlägt deshalb vor, den ersten Abschnitt der Mehrtagesr­oute von der Elbquelle bei Spindlermü­hle im Riesengebi­rge bis nach Kuks zu überspring­en. „Es kann ja wohl nicht fünf Tage am Stück regnen“, sagt er.

Zumindest in Kuks bleibt das Wetter aber schlecht. Bevor die ersten Kilometer auf dem Elberadweg gemacht sind, geht es also erst einmal in das barocke Kloster, das aufwendig renoviert wurde. Zu sehen gibt es Wandgemäld­e und Skulpturen aus dem 17. Jahrhunder­t.

Beim Radeln ist dann Demut gefragt: Dicke Tropfen prasseln auf den Asphalt. Nach 38 Kilometern sind die Finger in Hradec Kralove klamm. Glückliche­rweise hat Jiri Stejskal in dem Ort vor sechs Jahren seine Chocolater­ie „Jordi’s chocolate“eröffnet. Er begrüßt durchnässt­e Radler mit Chili-Schokolade und Rum.

Die Idee für den tschechisc­hen Teil des Elberadweg­s wurde 2008 bei einer Konferenz in Prag ins Leben gerufen, man arbeitete eng mit deutschen Partnern zusammen. 2012 erschien ein erstes gemeinsame­s Handbuch zum

Elberadweg.

Am nächsten Morgen ist der Himmel zwar noch grau, aber er hat seine Schleusen geschlosse­n. Zeit für einen Abstecher zur Pferderenn­bahn von Pardubice. Dort tragen gerade Einspänner mit sportliche­n Kutschen einen Wettkampf aus. Einige Kilometer weiter führt die Route am Nationalge­stüt von Kladruby vorbei. Mit wehenden Mähnen tollen leichtfüßi­ge Altkladrub­er auf den sattgrünen Koppeln – eine der ältesten europäisch­en Pferderass­en.

Weiter geht es jedoch im Sattel des Elektro-Fahrrads. Das Tagesziel ist Kutna Hora. Die Stadt liegt etwas abseits der Elbe, aber der Umweg lohnt sich. Silber machte Kutna Hora Ende des 13. Jahrhunder­ts zu einer der reichsten Städte Böhmens. Heute gehört die Altstadt zum Welterbe der Unesco, und der Dom der heiligen Barbara versetzt Besucher mit seiner

Architektu­r in Staunen.

Auf dem Weg über Brandys nad Labem nach Melnik geht es in Stara Boleslav an der Basilika vorbei, an deren Pforte einst Wenzel, der tschechisc­he Nationalhe­ilige, von seinem Bruder ermordet worden sein soll. Hinter Kostelec folgt ein steiniger, holpriger Weg. In den schmalen Fahrrinnen erweist sich das schwere und damit nicht sehr wendige EBike als unvorteilh­aft. Nach etwa 70 Kilometern ist Melnik erreicht.

Am nächsten Morgen vertreibt die Sonne den Elbe-Nebel schnell. Nächstes Ziel: die größte Ostereierg­alerie Tschechien­s in Libotenice mit unzähligen gewachsten, gebatikten, gekratzten und mit Stroh beklebten Eiern in allen Farben. An den kunsthandw­erklichen Meisterstü­cken hätte auch Fabergé seine Freude.

Weiter nach Terezin – Theresiens­tadt. Die Nationalso­zialisten machten die Stadt zu einem Konzentrat­ionslager

für die Juden Böhmens und Mährens. Von rund 141 000 in Theresiens­tadt interniert­en Juden überlebten nur rund 19 000. Mehr als 33 000 Menschen starben dort, etwa 88 000 wurden deportiert und meist in anderen Lagern getötet.

Kurz hinter der Stadt beginnt der schönste Abschnitt der Radtour. An den Ausläufern des böhmischen Mittelgebi­rges geht es erst an Hopfenfeld­er vorbei und dann zu Weingütern. Vor langer Zeit reihte sich dort ein Vulkankege­l an den anderen. Die vulkanisch­e Asche gibt dem Boden noch heute eine besondere Mineralitä­t, die auch dem Wein zugute kommt.

In Usti nad Labem steht die Schreckens­burg auf dem Programm. Es geht bergan, dank E-Bike kein Problem. Von oben hat man eine gute Aussicht auf die Industries­tadt, die zunächst nicht allzu spannend wirkt. Die Innenstadt präsentier­t dann aber eine interessan­te Mischung aus barocker Architektu­r, Jugendstil und Plattenbau.

Die letzte Etappe führt über 28 Kilometer von Usti nach Decin, das ein „Mekka für Aktivtouri­sten“ist, wie Czasta sagt. Dort geht es sportlich zu: Auf der Elbe sind viele Kajakfahre­r und Menschen in Schlauchbo­oten unterwegs. Mountainbi­ker und Wanderer zieht es auf die Sandsteink­ämme, es gibt auch Kletterste­ige.

Von Decin aus sind es nur noch wenige Kilometer bis Schmilka auf deutscher Seite. Dort türmen sich die Sandsteinf­elsen beiderseit­s der Elbe auf. Die Natur zeigt sich auf dem letzten Abschnitt dieser 243 Kilometer langen Radtour noch einmal von ihrer schönsten Seite.

Informatio­nen: ON4hechisc­he Zentrale für Tourismus, Wilhelmstr­aße 44, 10117 Berlin, 030/204 47 70 @ www.czechtouri­sm.com

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DPA-BILD: PETR POLAK Im Sattel durch Tschechien: Radfahrer auf dem Elberadweg in Decin.

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