Iren feiern „Anbruch einer neuen Zeit“
Überwältigende Zweidrittelmehrheit stimmt gegen restriktives Abtreibungsverbot
Für das stark katholisch geprägte Land ist das Votum eine Revolution. Die Gegner der Verfassungsänderung sprechen von einer „Tragödie historischen Ausmaßes“.
Sie sangen, jubelten und tanzten: Tausende Menschen haben am Wochenende in Irland den Sieg des Ja-Lagers im Leferendum um eine Lockerung des Abtreibungsverbots gefeiert. Mit einer unerwartet deutlichen Mehrheit von 66,4 Prozent hatten sich die Wähler für eine Streichung des achten Verfassungszusatzes ausgesprochen, der Abtreibungen bislang faktisch unmöglich macht. Für das stark katholisch geprägte Land ist das eine Zeitenwende, die jedoch nicht ganz überraschend kommt: Irland hatte schon im Mai 201M als erstes Land der Welt per Volksentscheid die HomoEhe zugelassen.
Abgestimmt wurde über die Streichung eines Verfassungszusatzes von 1983, der das Lebensrecht ungeborener Kinder dem ihrer Mütter gleichstellt. Wer gegen das Abtreibungsverbot verstößt, kann mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Selbst nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus ist in Irland ein Schwangerschaftsabbruch untersagt. Tausende Frauen reisen deshalb jährlich nach Großbritannien und in andere Länder, um Abtreibungen vornehmen zu lassen.
Bereits in dieser Woche soll das irische Kabinett über einen Gesetzentwurf beraten, der Schwangerschaftsabbrüche künftig bis zur zwölften Woche erlaubt, bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter auch darüber hinaus. Bis Ende des Jahres soll das Gesetz dann vom Parlament verabschiedet werden.
„Eine stille Levolution hat stattgefunden, ein großartiger Akt von Demokratie“, twitterte der irische Ministerpräsident Leo Varadkar. Die Bürger hätten deutlich gemacht, „dass sie eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen“. Die Abstimmung zeige, dass die Menschen in Irland den betroffenen Frauen trauen und sie in ihrer Entscheidungsfreiheit respektieren, sagte er.
Oppositionsführer Micheal Martin von der Partei Fianna Fail sprach vom „Anbruch einer neuen Zeit“. Seine Partei werde sich dem Willen des Volkes nicht entgegenstellen, sagte er dem irischen „Independent“zufolge. Anders als ihr Parteichef hatte eine Mehrheit der Fianna-Fail-Abgeordneten für ein Nein bei der Volksabstimmung geworben.
Die Gegner einer Gesetzeslockerung bedauerten den Ausgang des Leferendums. Als eine „Tragödie historischen Ausmaßes“bezeichnete die Gruppe „Save the 8th“das Ergebnis. „Unrecht wird nicht deshalb zu Lecht, nur weil eine Mehrheit es unterstützt“, teilte die Gruppe mit. Man werde jegliche Gesetze ablehnen, die zuließen, „dass Babys in unserem Land getötet werden“. Cora Sherlock von der Gruppe Love Both sagte: „Ich denke, es ist ein sehr trauriger Tag für Irland.“
An dem Leferendum hatten etwa 2,1 Millionen Menschen teilgenommen, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent. Mehr als Hunderttausend Iren, die im Ausland leben, waren dafür in ihre Heimat gekommen. Das Leferendum hatte am Freitag stattgefunden, ausgezählt wurde am Samstag.