Brutales Spiel
Vom Champions-League-Finale 2018 werden wahrscheinlich zwei Bilder in Erinnerung bleiben: das Fallrückzieher-Traumtor von Real-Star Gareth Bale, aber auch ein nach dem Schlusspfiff alleine am Boden kniender Loris Karius. Liverpools Torhüter erwischte im wohl wichtigsten Spiel seiner Karriere einen – vorsichtig ausgedrückt – rabenschwarzen Tag und verhalf Real mit zwei großen Patzern zum Titel.
Bezeichnend, dass zuerst Real-Spieler den Unglücksraben trösteten, und erst irgendwann später einige Mitspieler des Deutschen. Unfassbar ist hingegen, was sich währenddessen in den sozialen Netzwerken abspielte. Für so einen Torhüter könne „man sich nur schämen“, er sei eine „übelste Pfeife“, der garantiert „auf Madrid gesetzt“habe und „sogar zu schlecht für die vierte Liga sei“, denn „so dumm“könne man gar nicht sein. Wohlgemerkt, das sind noch die harmloseren Kommentare. Bei Facebook, Twitter und Co. zeigte sich wieder einmal: Viele Menschen haben aus dem Fall Robert Enke offenbar nichts, aber auch wirklich gar nichts gelernt.
Das macht mich wütend und traurig zugleich. Fühlt man sich selbst so viel besser, wenn man andere auf diese Weise erniedrigen kann? Zur Erinnerung: Loris Karius ist 24 Jahre alt. Welch’ Albtraum der frühere Mainzer im Stadion von Kiew durchleben musste, ist für Außenstehende nicht zu begreifen. Das zeigen auch die Bilder, als der Torwart mit Tränen in den Augen alleine in der Kurve steht und die Fans nahezu um Verzeihung anfleht. Die reagierten übrigens einzig richtig und sangen die Liverpool-Hymne für den Deutschen: „You’ll never walk alone“, „Du wirst nie alleine gehen“.
Klar, im Netz gab es auch viele aufmunternde Worte („Ich möchte ihn in den Arm nehmen“) für den Torwart, der schon nach seinem Wechsel an die Anfield einen schweren Start hatte, schnell als „Flutschfinger“galt. Man kann nur hoffen, dass der junge Torhüter nicht nur den Rat von Trainer Jürgen Klopp („Er sollte besser erstmal keine Zeitung lesen“) folgt, sondern auch die sozialen Netzwerke in den nächsten Wochen meidet.
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