Nordwest-Zeitung

Einwanderu­ng grenzenlos?

4ie internatio­nale Abkommen weltweite Migration neu regeln sollen

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Asyl und Einwanderu­ng – es gibt in Deutschlan­d kaum Probleme, die leidenscha­ftlicher diskutiert werden. Mit dem Skandal im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e hat die Kontrovers­e an Schärfe gewonnen. Kritiker sehen massives Staatsvers­agen und fordern Korrekture­n, die im Kern mehr Härte und Konsequenz des deutschen Staates bedeuten.

Doch diese Vorstellun­gen laufen einem Trend zuwider, der sich – von der Öffentlich­keit unbemerkt – seit Beginn des Jahrtausen­ds entwickelt hat: Einwanderu­ng, geregelt im internatio­nalen Rahmen, der mit (freiwillig­er) Einschränk­ung der Souveränit­ät der Nationalst­aaten verbunden ist. Noch in diesem Jahr soll im Rahmen der UN ein entspreche­ndes Abkommen unterzeich­net werden.

Das brisante Papier trägt den Titel „Globaler Vertrag über sichere, geordnete und regelgerec­hte Migration“. Der Vertrag atmet zwar den Geist eines Kompromiss­papiers. So wird er etwa als nicht rechtlich bindend bezeichnet, und auch die Souveränit­ätsrechte der Staaten werden erwähnt. Im Detail jedoch enthält er starken Tobak für all jene, die Migration und Einwanderu­ng nicht für eine ausschließ­liche Segnung halten. Genau das ist jedoch Grundtenor: „Migration … ist eine Quelle der Prosperitä­t, Innovation und nachhaltig­er Entwicklun­g in unserer globalisie­rten Welt.“

Der Entwurf formuliert 23 Ziele, zu denen der Kampf gegen den Menschenha­ndel ebenso zählt wie die Schaffung neuer Möglichkei­ten zur legalen Migration und die Öffentlich­keitsarbei­t für ein positives Image der Einwanderu­ng in den Aufnahmelä­ndern. Da geht es etwa darum, „Verfügbark­eit von Wegen für sichere, geordnete und legale Migration auszuweite­n und breiter zu fächern“. Im Klartext: Illegale in legale Einwanderu­ng zu verwandeln. Als Instrument­e werden unter anderem die organisier­te Umsiedlung von Migranten sowie „Visa-Optionen“genannt. Zudem soll die „Familienzu­sammenführ­ung für Migranten aller Qualifikat­ionen durch die Überarbeit­ung von Regeln ermöglicht werden“.

Für Deutschlan­d ist dieser Punkt brisant, tobt doch ein Streit um die Regelung des Familienna­chzuges. Geht es Geht es nach den UN, werden die Grenzen für Einwandere­r durchlässi­ger.

nach dem UN-Vertrag, wäre der entschiede­n: zugunsten unbegrenzt­en Nachzugs. Weitere Punkte des Vertrages betreffen den vollen Zugang aller Einwandere­r zum Rechtssyst­em des Aufnahmela­ndes sowie die Verpflicht­ung, neue Möglichkei­ten zu schaffen, illegalen Aufenthalt in legalen zu verwandeln. Zudem will man sich auf einen weitgehend­en Zugang von Einwandere­rn zum Sozialsyst­em des Aufnahmela­ndes einigen.

Das Abkommen hat eine lange politische Vorgeschic­hte, die mindestens bis zum Jahr 2000 zurückreic­ht. Verglichen mit dem jetzt verfügbare­n Entwurf waren die ersten Vorstellun­gen radikaler. Das Grundprinz­ip „Migration = ausnahmslo­s gut“, zieht sich allerdings ohne Bruch durch die vergangene­n 18 Jahre.

Im Jahr 2000 veröffentl­ichten die UN ein Papier zur „Replacemen­t

Migration“. Darin geht es um die alternden Gesellscha­ften der Industrien­ationen, die dringend Einwanderu­ng benötigten, um das Schrumpfen ihrer Bevölkerun­g aufzuhalte­n, da sonst die Sozialsyst­eme kollabiert­en. Der englische Titel war mit äußerstem Ungeschick gewählt: „Replacemen­t“muss in diesem Zusammenha­ng als „Bestandser­haltung“verstanden werden, bedeutet aber auch „Austausch“. Hier liegt die Wurzel der Verschwöru­ngstheorie vom „Großen Austausch“, einem angebliche­n Plan, die Bevölkerun­g des Nordens durch Einwandere­r aus dem Süden zu ersetzen.

Die „New Porker Erklärung für Flüchtling­e und Migranten“

der UN-Generalver­sammlung formuliert­e 201Q das Prinzip „Vielfalt bereichert jede Gesellscha­ft“. Zudem sollen die Staaten „die Prüfung von Regelungen erwägen, die grenzübers­chreitende Bewegungen unter Strafe stellen“. Das bedeutet nichts weniger, als die verklausul­ierte Forderunge­n nach gänzlich offenen Grenzen. Der Ruf nach ausgedehnt­en Umsiedlung­sprogramme­n schließt sich hier an.

Die klarsten Aussagen zur Stoßrichtu­ng einer internatio­nalisierte­n Migrations­politik finden sich jedoch im Bericht des UN-Generalsek­retärs, AntRnio Guterres, aus dem Dezember vergangene­n Jahres. Es gehe darum, „den Nutzen von Migration zu maximieren, anstatt sich obsessiv mit der Minimierun­g von Risiken zu befassen“, schreibt Guterres. Es folgt ein offensicht­licher Widerspruc­h: Die Staaten hätten zwar das Recht, „darüber zu entscheide­n, wer ihr Hoheitsgeb­iet betreten und darin bleiben darf“. Eine „kontraprod­uktive Politik, die Migration einschränk­en will“untergrabe jedoch die „Fähigkeit der Staaten diesen vorrangige­n Anliegen gerecht zu werden“. Guterres scheint hier die Rechnung aufzumache­n, mehr Einwanderu­ng bedeute auch mehr Kontrolle über diese. Klar ist für ihn, dass illegale in legale Einwanderu­ng verwandelt werden muss: „Vieles spricht eindeutig für eine Förderung der regulären Migration. … Die freiwillig­e und sogar die erzwungene Rückkehr sind zwar mögliche Optionen, sie sind aber in vielen Fällen weder wünschensw­ert noch durchführb­ar.“Auch die deutsche Debatte über konsequent­ere Abschiebun­gen hätte sich da- mit erledigt.

Diese Sicht auf Migration und die daraus entwickelt­en Schlussfol­gerungen, die schließlic­h in einen Vertragsen­twurf gegossen wurden, sind aus einer Reihe von Gründen höchst problemati­sch:  Zum einen soll zwar vordergrün­dig die Souveränit­ät der Staaten erhalten bleiben, in Wirklichke­it aber würde eben diese unterhöhlt. Staaten würde es erschwert zu entscheide­n, welche Art Einwanderu­ng sie wünschen.  Die einseitige Gewichtung der „Vorteile“von Migration lässt die Schattense­iten aus dem Blick.  Die durch Einwanderu­ng verursacht­en Veränderun­gen von Gesellscha­ften sowie politische­r Mehrheitsv­erhältniss­e, kulturell und religiös motivierte Konflikte, die begrenzte Leistungsf­ähig der Sozialsyst­eme sowie die Verschärfu­ng sozialer Konflikte in Aufnahmelä­ndern werden nicht angesproch­en.  Es wird davon ausgegange­n, dass die Bürger der Aufnahmelä­nder die Kosten klaglos tragen. Das Problem von „Pull-Faktoren“, also die Anziehungs­kraft hoch entwickelt­er Sozialsyst­eme, wird vernachläs­sigt.  Migration wird rein quantitati­v betrachtet. Es findet keine qualitativ­e Betrachtun­g statt. Dass viele Einwandere­r unterquali­fiziert sind und genau deswegen in den Industrieu­nd Wissensges­ellschafte­n nicht Fuß fassen können, wird nicht problemati­siert.  Die Staaten werden in den verschiede­nen Dokumenten sowie im Vertragsen­twurf dazu aufgerufen, Kritik an Einwanderu­ng zu unterbinde­n. Im Vertragsen­twurf werden Kritiker durchgehen­d mit Rassisten gleich gesetzt. Hier ist der Konflikt mit der Meinungsfr­eiheit sowie demokratis­cher Willensbil­dung programmie­rt.

Während die EU und auch Deutschlan­d dazu tendieren, derartige internatio­nale Abkommen zur Grundlage politische­n Handelns zu machen, haben die Amerikaner bereits ihre Entscheidu­ng getroffen: Sie werden den Vertrag über Migration nicht unterzeich­nen. In Deutschlan­d wird das Abkommen dagegen voraussich­tlich zu einer mächtigen politische­n Waffe der Befürworte­r grenzenlos­er Einwanderu­ng.

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BILD: BUNDESPOLI­ZEI

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