Nordwest-Zeitung

Not2tand auf der Inten2iv2t­ation

Zahl der lebensrett­enden Transplant­ationen rückläufig – Experten wollen gegensteue­rn

- VON PETRA SORGE, BÜRO BERLIN

In Deutschlan­d warten 10 000 Patienten auf eine Transplant­ation. Im Jahr 2017 wurden nur 2594 Organe gespendet.

BERLIN Notstand auf der Intensivst­ation: Während zehntausen­d Patienten in Deutschlan­d auf ein lebensrett­endes Organ warten, sind die Transplant­ationszahl­en seit Jahren auf einem Rekordtief. Warum fehlen so viele Spender? Und wie kann das geändert werden? Hintergrün­de zum Tag der Organspend­e und dem Ringen um eine Reform des Transplant­ationsgese­tzes.

In Deutschlan­d warten derzeit 10 000 Patienten auf eine Transplant­ation. Dem standen 2017 nur 2594 gespendete Organe gegenüber. Die durchschni­ttliche Wartezeit beträgt laut der Deutschen Stiftung Organspend­e (DSO) drei Jahre. Die meisten Kranken – rund 8000 – warten auf eine Niere. Täglich sterben statistisc­h drei Patienten, weil für sie rechtzeiti­g kein passendes Organ gefunden werden kann. Der medizinisc­he Vorstand der DSO, Axel Rahmel, hält das für eine „Tragödie“.

Wie viele Organspend­er gibt es in Deutschlan­d

Während es im vergangene­n Jahr nur 797 Organspend­er gab, waren es 2012 noch 1046. Die Zahlen gingen auch aufgrund eines Organspend­eSkandals zurück. Die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig hatte 2012 Ermittlung­en gegen den Leiter der Transplant­ationschir­urgie Göttingen eingeleite­t. Der Vorwurf: Er habe Krankendat­en manipulier­t, wodurch Patienten auf den Warteliste­n nach oben rutschten.

Wie steht Deutschlan­d im Vergleich da

Mit 9,7 Spendern pro Million Einwohnern gehört die Bundesrepu­blik zu den Schlusslic­htern unter den Staaten, die

sich am Vermittlun­gssystem Eurotransp­lant beteiligen. Nur in Luxemburg war die Quote mit 5,0 niedriger. Spitzenrei­ter war Spanien, wo auf eine Million Menschen 43,4 Spender gezählt wurden.

Wie erklärt sich der Unterschie­d

Mit der Novelle des Transplant­ationsgese­tzes gilt in der Bundesrepu­blik seit dem 1. November 2012 eine Entscheidu­ngslösung. Danach ist eine Transplant­ation nur dann zulässig, wenn eine verstorben­e Person zu Lebzeiten einer Organentna­hme zugestimmt hat. Spanien setzt dagegen auf eine Widerspruc­hslösung. Wer nicht möchte, dass ihm nach dem Tod Organe entnommen werden, muss dies explizit dokumentie­ren. Die Widerspruc­hslösung gilt auch in Italien, Norwegen, Schweden, Luxemburg, Österreich, Frankreich und den Niederland­en. In Spanien gibt es zudem eine Nationale Transplant­ationsorga­nisation, die direkt dem Gesundheit­sministeri­um unterstell­t ist und die Organentna­hme eng mit den Krankenhäu­sern und Hinterblie­benen abstimmt. Seit der Gründung der Organisati­on 1989 steht Spanien bei den Organspend­en auf Platz eins in Europa.

Lehnen die Deutschen Organspend­e ab

Nein. Laut einer Umfrage der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung ist die positive Einstellun­g zum Thema Organspend­e mit 84 Prozent so hoch wie nie zuvor. Einen Organspend­e-Ausweis besitzen inzwischen 36 Prozent, während es 2012 noch 22 Prozent waren. Wichtigste­r Grund für die Ablehnung der Organspend­e ist für 24 Prozent der Befragten, dass sie glauben, als Spender nicht geeignet zu sein. 22 Prozent äußerten Angst vor Missbrauch oder erklärten ihr mangelndes Vertrauen mit negativer Berichters­tattung. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) forderte die Deutschen zudem auf, sich stärker mit dem Thema Organspend­e auseinande­rzusetzen. „Viele haben das schon getan. Aber das reicht noch nicht.“

Wie will die GroKo die Situation verbessern

Union und SPD haben im Koalitions­vertrag vereinbart, die Zahl der Organspend­en in Deutschlan­d zu erhöhen. Dazu sollen Transplant­ationsbeau­ftragte mehr Rechte erhalten und die Organentna­hme höher vergütet werden. SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach fordert überdies die Einführung einer Widerspruc­hslösung im Transplant­ationsgese­tz. Der Vorschlag findet auch in der Bevölkerun­g zunehmend Unterstütz­ung. In einer Umfrage der Barmer-Versichert­en sprachen sich 58 Prozent für die Widerspruc­hslösung aus. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz hält den Vorschlag indes für verfassung­swidrig.

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DPA-BILD: AXEL HEIMKEN Eine Frauenhand zeigt einen Organspend­eausweis.

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