Not2tand auf der Inten2iv2tation
Zahl der lebensrettenden Transplantationen rückläufig – Experten wollen gegensteuern
In Deutschland warten 10 000 Patienten auf eine Transplantation. Im Jahr 2017 wurden nur 2594 Organe gespendet.
BERLIN Notstand auf der Intensivstation: Während zehntausend Patienten in Deutschland auf ein lebensrettendes Organ warten, sind die Transplantationszahlen seit Jahren auf einem Rekordtief. Warum fehlen so viele Spender? Und wie kann das geändert werden? Hintergründe zum Tag der Organspende und dem Ringen um eine Reform des Transplantationsgesetzes.
In Deutschland warten derzeit 10 000 Patienten auf eine Transplantation. Dem standen 2017 nur 2594 gespendete Organe gegenüber. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt laut der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) drei Jahre. Die meisten Kranken – rund 8000 – warten auf eine Niere. Täglich sterben statistisch drei Patienten, weil für sie rechtzeitig kein passendes Organ gefunden werden kann. Der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, hält das für eine „Tragödie“.
Wie viele Organspender gibt es in Deutschland
Während es im vergangenen Jahr nur 797 Organspender gab, waren es 2012 noch 1046. Die Zahlen gingen auch aufgrund eines OrganspendeSkandals zurück. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte 2012 Ermittlungen gegen den Leiter der Transplantationschirurgie Göttingen eingeleitet. Der Vorwurf: Er habe Krankendaten manipuliert, wodurch Patienten auf den Wartelisten nach oben rutschten.
Wie steht Deutschland im Vergleich da
Mit 9,7 Spendern pro Million Einwohnern gehört die Bundesrepublik zu den Schlusslichtern unter den Staaten, die
sich am Vermittlungssystem Eurotransplant beteiligen. Nur in Luxemburg war die Quote mit 5,0 niedriger. Spitzenreiter war Spanien, wo auf eine Million Menschen 43,4 Spender gezählt wurden.
Wie erklärt sich der Unterschied
Mit der Novelle des Transplantationsgesetzes gilt in der Bundesrepublik seit dem 1. November 2012 eine Entscheidungslösung. Danach ist eine Transplantation nur dann zulässig, wenn eine verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organentnahme zugestimmt hat. Spanien setzt dagegen auf eine Widerspruchslösung. Wer nicht möchte, dass ihm nach dem Tod Organe entnommen werden, muss dies explizit dokumentieren. Die Widerspruchslösung gilt auch in Italien, Norwegen, Schweden, Luxemburg, Österreich, Frankreich und den Niederlanden. In Spanien gibt es zudem eine Nationale Transplantationsorganisation, die direkt dem Gesundheitsministerium unterstellt ist und die Organentnahme eng mit den Krankenhäusern und Hinterbliebenen abstimmt. Seit der Gründung der Organisation 1989 steht Spanien bei den Organspenden auf Platz eins in Europa.
Lehnen die Deutschen Organspende ab
Nein. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist die positive Einstellung zum Thema Organspende mit 84 Prozent so hoch wie nie zuvor. Einen Organspende-Ausweis besitzen inzwischen 36 Prozent, während es 2012 noch 22 Prozent waren. Wichtigster Grund für die Ablehnung der Organspende ist für 24 Prozent der Befragten, dass sie glauben, als Spender nicht geeignet zu sein. 22 Prozent äußerten Angst vor Missbrauch oder erklärten ihr mangelndes Vertrauen mit negativer Berichterstattung. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte die Deutschen zudem auf, sich stärker mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. „Viele haben das schon getan. Aber das reicht noch nicht.“
Wie will die GroKo die Situation verbessern
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Dazu sollen Transplantationsbeauftragte mehr Rechte erhalten und die Organentnahme höher vergütet werden. SPDGesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert überdies die Einführung einer Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz. Der Vorschlag findet auch in der Bevölkerung zunehmend Unterstützung. In einer Umfrage der Barmer-Versicherten sprachen sich 58 Prozent für die Widerspruchslösung aus. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält den Vorschlag indes für verfassungswidrig.