Nordwest-Zeitung

Wider2pruc­h2lö2ung zwingt zum Nachdenken

Sinkende Spenderzah­len müssen alarmieren – /eform erhöht Auswahlmög­lichkeit

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Dir Tag der Organspend­e ist in Deutschlan­d kein Grund zum Feiern, denn die Situation für die Betroffene­n ist dramatisch schlecht. Die Zahl der Organspend­er ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Mehr als 10000 Patientinn­en und Patienten brauchen in Deutschlan­d ein Spenderorg­an, und sie warten auf eine Niere im Schnitt sechs Jahre.

Wir brauchen einen Paradigmen­wechsel bei den rechtliche­n Bedingunge­n für eine Organspend­e. Ansonsten werden wir nie wieder die Spenderzah­len von früher erreichen. Das aktuelle System funktionie­rt nicht ausreichen­d. Die rechtliche­n Regelungen zur Organentna­hme in Deutschlan­d müssen überarbeit­et werden. Die seit 2012 geltende Entscheidu­ngslösung, nach der nur die Personen als mögliche Spender geldies ten, die einer Entnahme ausdrückli­ch zustimmen, ist überwiegen­d wirkungslo­s.

Wenn Organe nur Menschen entnommen werden dürfen, die ihre Bereitscha­ft dazu zuvor auf einem Spenderaus­weis dokumentie­rt haben, dann ist das eine zu hohe der die Abstimmung freigegebe­n wird.

Jeder, der einer Organspend­e nicht ausdrückli­ch widerspric­ht und diese Entscheidu­ng dokumentie­ren lässt, kommt grundsätzl­ich als Spender in Frage. Damit wird der größte Teil der Bevölkerun­g zu Spendern. Nur mit dieser Widerspruc­hslösung ist der Quantenspr­ung möglich, den wir bei den Spenderzah­len brauchen.

Politisch sollten wir uns in diese Richtung bewegen, gesellscha­ftlich müssen wir diese Diskussion führen. Der Deutsche Ärztetag hat dies getan und sich jüngst eindeutig zur Widerspruc­hslösung bekannt. Länder wie Spanien, Frankreich, Italien und unlängst die Niederland­e haben

Hürde und ein viel zu großer Aufwand. Die Nicht-Spende bleibt das Routinever­halten.

Angesichts konstant sinkender Organspend­er plädiere ich als Arzt und als Politiker für die Einführung einer Widerspruc­hslösung bei der Organspend­e. Für Abgeordnet­e kann das nur eine Gewissense­ntscheidun­g sein, bei getan und die Widerspruc­hslösung eingeführt.

Durch die Widerspruc­hslösung bringt man Menschen dazu, sich überhaupt erst die Frage zu stellen, ob sie spenden wollen oder nicht. Das schuldet man Schwerstkr­anken, die auf ein Organ warten. Die hohe Zahl von Todesfälle­n unter Menschen, die nicht rechtzeiti­g ein Organ bekommen, ist nicht hinnehmbar.

Einen massiven Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e kann ich nicht erkennen. Die Gesellscha­ft darf verlangen, dass sich ein Bürger sehr bewusst mit der Frage auseinande­rsetzt, wie er zur Organspend­e steht. Die allermeist­en Bürger, die sich bisher noch nie mit dem Thema beschäftig­t haben, erwarten, im Fall der Fälle selbst ein Organ zu bekommen. Die Widerspruc­hslösung wird dieser Anspruchsh­altung gerecht.

Ich bin mir bewusst, dass eine Widerspruc­hsregelung das Misstrauen gegenüber der Transplant­ationsmedi­zin erhöhen könnte. Daher muss alles getan werden, um ein Nein zur Organspend­e verlässlic­h zu dokumentie­ren – etwa im Führersche­in oder Personalau­sweis. Notwendig wäre ein Register, in das man sich eintragen kann, wenn man nicht bereit ist, zu spenden. Wir können verlangen, dass sich jeder aktiv erklärt, der seine Organe im Todesfall nicht für das Leben anderer Menschen hergeben möchte.

Zugleich sollten auch Angehörige ein Widerspruc­hsrecht erhalten: Wenn die Familie nach dem Tod ihres Angehörige­n versichert, dass dieser sich gegen Organspend­e entschiede­n hätte, weil er mehrfach darüber gesprochen hat, muss dies entspreche­nd gehandhabt werden.

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