Wenn man den Löwenkopf berührt
Werke von Gisela E. Haseleu in der Oldenburger NWZ-Galerie an der Peterstraße
Zu sehen sind Fotografien, die vor allem im südlichen Raum entstanden. Im Zentrum stehen Türklopfer, die zum Teil hochkünstlerisch sind.
OLDENBURG „Türkunst“nennt Gisela E. Haseleu ihre Ausstellung in der Oldenburger Galerie. Gezeigt werden ab sofort in diesem Monat ihre Fotografien, die auf Leinwand aufgezogen wurden. Alle wurden während Aufenthalte auf verschiedenen Inseln im Mittelmeer-Raum und in Portugal aufgenommen und rückten einen Gegenstand in den Mittelpunkt, der auch in nördlichen Breiten gelegentlich anzutreffen ist – den Türklopfer.
Er dient dazu, den Bewohnern eines Hauses mitzuteilen, dass Besuch vor der Tür steht. Aber er hat oft auch die Aufgabe, von der Wohlhabenheit des Hausbesitzers zu künden, der sich einen besonders ornamentreichen oder überraschend handlichen Türklopfer leisten kann und nicht will, dass mit blanker Faust oder mit einem Gegenstand gegen die Tür geschlagen wird. Die im 19. Jahrhundert eingeführte elektrische Klingel hat dem Türklopfer zwar die Funktion genommen, aber nicht als Schmuckstück des Hauseingangs abgelöst.
Die Fotografie isoliert das Objekt auf einem Stück Hauswand, das als farbiger Hintergrund des Türklopfers einen
großen Anteil an der ästhetischen Erscheinung hat. Die farblich harmonische oder kontrastierende Beziehung zwischen Objekt und Fläche zieht den Blick an.
Die zuweilen antikisierende Ornamentik an den Teilen des Türklopfers führt die Betrachtung schnell aus der Gegenwart zurück auf historische Fährten. In einem ausgelegten Begleitheft werden die Inseln genannt, auf denen Gisela E. Haseleu die Türklopfer entdeckt hat. Allerdings dürfte es schwer sein, verschiedene
Klopfer-Kompositionen für eine der Inseln als typisch anzusehen.
Denn eine genauere Betrachtung der Hauswände ergibt, dass sie unterschiedlichen Alters sein können. Die grauweiße Wand, auf der scheinbar eine sardische Prinzessin den Ring zum Anschlagen hält, ist brüchig. Ihre Risse deuten ein hohes Alter an, was erlaubt, auch dem Türklopfer einige Jahrhunderte zuzuschreiben.
Aber das Ensemble an einem Haus auf Sardinien ist
eine der wenigen Ausnahmen: Die meisten Wände sind glatt und in den letzten Jahrzehnten touristenfreundlich bemalt worden, und ihre Türklopfer, ob Löwenkopf, Bacchus-Gesicht oder Hand, die sich dem Gast entgegenstreckt und die Kugel reicht, mit der er sich ankündigen soll, haben zwar inhaltlich Mythos und Historie aufgesogen, sind, ob aus Bronze, Eisen oder Aluminium, Produkte zeitgenössischer Handwerker oder Industrien.
Die Fotografie selbst ist das wesentliche Werk der Künstlerin. Sie erlaubt sich in der Auswahl der Ausstellung keine auffällige BesonderheitP nur ganz wenige Aufnahmen zeigen den Türklopfer leicht verschoben oder um weniges von der Seite, so dass seine Räumlichkeit gesehen werden kann.
Gisela E. Haseleu führt den Betrachtenden zweifellos reizvolle, weil formal vielseitige und im Detail fantasievolle Alltagsobjekte vor. Ihre Fotografien legen die Türklopfer perfekt zur Betrachtung frei.