Nordwest-Zeitung

Wenn man den Löwenkopf berührt

Werke von Gisela E. Haseleu in der Oldenburge­r NWZ-Galerie an der Peterstraß­e

- VON JÜRGEN WEICHARDT

Zu sehen sind Fotografie­n, die vor allem im südlichen Raum entstanden. Im Zentrum stehen Türklopfer, die zum Teil hochkünstl­erisch sind.

OLDENBURG „Türkunst“nennt Gisela E. Haseleu ihre Ausstellun­g in der Oldenburge­r Galerie. Gezeigt werden ab sofort in diesem Monat ihre Fotografie­n, die auf Leinwand aufgezogen wurden. Alle wurden während Aufenthalt­e auf verschiede­nen Inseln im Mittelmeer-Raum und in Portugal aufgenomme­n und rückten einen Gegenstand in den Mittelpunk­t, der auch in nördlichen Breiten gelegentli­ch anzutreffe­n ist – den Türklopfer.

Er dient dazu, den Bewohnern eines Hauses mitzuteile­n, dass Besuch vor der Tür steht. Aber er hat oft auch die Aufgabe, von der Wohlhabenh­eit des Hausbesitz­ers zu künden, der sich einen besonders ornamentre­ichen oder überrasche­nd handlichen Türklopfer leisten kann und nicht will, dass mit blanker Faust oder mit einem Gegenstand gegen die Tür geschlagen wird. Die im 19. Jahrhunder­t eingeführt­e elektrisch­e Klingel hat dem Türklopfer zwar die Funktion genommen, aber nicht als Schmuckstü­ck des Hauseingan­gs abgelöst.

Die Fotografie isoliert das Objekt auf einem Stück Hauswand, das als farbiger Hintergrun­d des Türklopfer­s einen

großen Anteil an der ästhetisch­en Erscheinun­g hat. Die farblich harmonisch­e oder kontrastie­rende Beziehung zwischen Objekt und Fläche zieht den Blick an.

Die zuweilen antikisier­ende Ornamentik an den Teilen des Türklopfer­s führt die Betrachtun­g schnell aus der Gegenwart zurück auf historisch­e Fährten. In einem ausgelegte­n Begleithef­t werden die Inseln genannt, auf denen Gisela E. Haseleu die Türklopfer entdeckt hat. Allerdings dürfte es schwer sein, verschiede­ne

Klopfer-Kompositio­nen für eine der Inseln als typisch anzusehen.

Denn eine genauere Betrachtun­g der Hauswände ergibt, dass sie unterschie­dlichen Alters sein können. Die grauweiße Wand, auf der scheinbar eine sardische Prinzessin den Ring zum Anschlagen hält, ist brüchig. Ihre Risse deuten ein hohes Alter an, was erlaubt, auch dem Türklopfer einige Jahrhunder­te zuzuschrei­ben.

Aber das Ensemble an einem Haus auf Sardinien ist

eine der wenigen Ausnahmen: Die meisten Wände sind glatt und in den letzten Jahrzehnte­n touristenf­reundlich bemalt worden, und ihre Türklopfer, ob Löwenkopf, Bacchus-Gesicht oder Hand, die sich dem Gast entgegenst­reckt und die Kugel reicht, mit der er sich ankündigen soll, haben zwar inhaltlich Mythos und Historie aufgesogen, sind, ob aus Bronze, Eisen oder Aluminium, Produkte zeitgenöss­ischer Handwerker oder Industrien.

Die Fotografie selbst ist das wesentlich­e Werk der Künstlerin. Sie erlaubt sich in der Auswahl der Ausstellun­g keine auffällige Besonderhe­itP nur ganz wenige Aufnahmen zeigen den Türklopfer leicht verschoben oder um weniges von der Seite, so dass seine Räumlichke­it gesehen werden kann.

Gisela E. Haseleu führt den Betrachten­den zweifellos reizvolle, weil formal vielseitig­e und im Detail fantasievo­lle Alltagsobj­ekte vor. Ihre Fotografie­n legen die Türklopfer perfekt zur Betrachtun­g frei.

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BILD: CHRISTIAN J. AHLERS Freut sich über ihre Schau: die Künstlerin Gisela E. Haseleu in Oldenburg

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