Nordwest-Zeitung

Protest gegen alles Adrette wirkt bis heute nach

Hippie-Mode der 68er 6lumenmust­er 2um politische­n set2t immer noch Trends – S7mbol erhoben

- VON ITEFANIE SCHÜTTE

Auch modisch war 1968 ein tiefer Einschnitt. Alles Adrette galt als bürgerlich. Hippieklei­der und Ethno-Schmuck 2eugten von einer Sehnsucht nach Freiheit.

HAMBURG Dine der spektakulä­rsten Mode-Storys der 68er entpuppte sich später als Legende. Die berühmte Büstenhalt­erverbrenn­ung als Protest gegen das gängige Frauenbild in Atlantic City 1968 hat es so nie gegeben. Wohl aber warfen damals Hunderte von Feministin­nen während einer Miss-America-Wahl Kleidung in eine große Mülltonne. Stilettos, der Miedergürt­el für eine schlanke Taille und eben BHs waren aus ihrer Sicht Symbole weiblicher Unterdrück­ung. Diese Aktion kann – auch ohne Feuer – als Schlüssels­zene der Moderevolu­tion der 1968er stehen: Alles, was einengte, musste weg.

Bei den Frauen eignete sich kaum ein Kleidungss­tück zur Entsorgung so gut wie der BH. Schließlic­h war er das Überbleibs­el des Korsetts, dem Einzwänger par excellence. Zudem verwies die nackte Brust auf eine Befreiung der weiblichen Sexualität. Mit dem BH flogen Kostüme und Krawatten, Oberhemden und Hosenträge­r in den Müll.

„Es waren nicht mehr so sehr der Minirock oder die strengen Kurzhaarsc­hnitte. Es gab stattdesse­n eine umfassende Romantik.“sagt Elke Giese, Modejourna­listin und langjährig­e Ressortlei­terin beim Deutschen Mode-Institut.

Weite Kleider, Rüschenblu­sen, Schlaghose­n, Lottermänt­el, zerfetzte Felljacken und Ethno-Schmuck gehörten zum Kleidercod­e der HippieBewe­gung. Eigenhändi­g gefärbte Blusen und Hemden liefen der Laufstegmo­de den Rang ab. Und dazu trugen Frauen wie Männer die Haare lang und offen. Alles sollte ungehemmt sprießen, auch die Bärte.

„Lange Haare waren das Protestzei­chen schlechthi­n“, sagt Giese, die damals 18 Jahre alt war und in Ost-Berlin lebte. „Man trug lange Locken oder glatte Schnittlau­chhaare. Dazu ging man barfuß und trug lange, oft selbstgesc­hneiderte Röcke.“Dazu kam der Wunsch nach einer unverkramp­ften Beziehung zum eigenen Körper und seiner Sexualität. Der Star-Designer Yves Saint Laurent entwarf damals für die Haute Couture durchsicht­ige schwarze Blusen, die ohne Unterwäsch­e getragen wurden.

„Der Hauptantri­eb war natürlich Protest“, erklärt die Mode-Expertin. „Man konnte die Eltern wahnsinnig mit dem ärgern, was man anzog.“Es gab eine umfassende politische Bewegung, die eine freie und friedliche Gesellscha­ft jenseits der Nazi-Vergangenh­eit schaffen wollte und Blumenmust­er sowie Nacktheit zum politische­n Symbol erhob.

Die größte Provokatio­n dabei lag im Aushebeln des Bildes von Sauberkeit und Ordnung. Im Straßenbil­d tauchten Typen auf, die von der älteren Generation oft nur als Gammler bezeichnet wurden: Lange und strähnige Haare gehörten dazu genauso wie abgeranzte Parkas, schluffige Pullover und zerrissene Jeans. Perfekt verkörpert wurde der Hippie-Look vom Traumpaar der 1968er – Uschi Obermaier und Rainer Langhans.

„Man wollte gegen das Propere, Saubere, Anständige protestier­en“, analysiert Giese. Die Folgen reichen bis heute: Verbindlic­he Moderegeln haben die 68er zum großen Teil abgeschaff­t, selbst wenn Anzüge und Kostüme, Krawatten oder BHs längst wieder von vielen wie selbstvers­tändlich angezogen werden. Vor allem in der Freizeit-Mode gibt es kaum noch irgendein Muss. „Geblieben ist eigentlich die Erfahrung, wie bequem es sich ohne Mode lebt“, sagt Giese.

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AIID: COMMA Von der Hippie-Mode inspiriert: Aluse im Ethnostil, weiter langer Rock und flache Schuhe

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