Minister-Gipfel zum Wolf
Beratung in Bremen – Bündnis von 19 Verbänden schlägt Alarm
Der Schutz des Menschen müsse Priorität vor der Ausbreitung des Wolfes haben. Zudem müsse die Weidetierhaltung erhalten bleiben.
BREMEN/HANNOVER/BERLIN Deutschlands Umweltminister machen den Ärger mit dem Wolf zur Chefsache. Beim dreitägigen Treffen ab Mittwoch in Bremen beraten die Länder mit dem Bund, wie man künftig mit dem für Nutztiere gefährlichen Jäger umgehen will. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) weist auf das französische Modell. Dort dürfen in diesem Jahr 40 Wölfe geschossen werden, um die Zahl der Tier-Risse in den Griff zu bekommen.
Ein breites Bündnis von 19 Verbänden aus dem ländlichen Raum schlägt vor der Umweltministerkonferenz Alarm. Gemeinsam fordert das „Aktionsbündnis Forum Natur“, „dass der Schutz des Menschen eindeutig Priorität vor der Ausbreitung des Wolfes haben muss“, damit „die Weidetierhaltung flächendeckend erhalten bleibt“. Das Verbändebündnis schlägt eine „Regulierung“des Wolfsbestandes vor. Bereits jetzt existiere in Deutschland „eine Wolfspopulation von über 1000 Tieren, deren Zahl jährlich „um über 30 Prozent exponentiell“wachse. Nutztierhalter verlangen eine „grundlegende Neujustierung“durch „Beweislastumkehr“für die hohen Schäden, die sie durch Wolfsrisse erleiden. „Zukünftig muss eine Entschädigung bereits dann erfolgen, wenn ein Wolfsriss nicht ausgeschlossen werden kann“, heißt es.
Niedersachsens Umweltminister Lies will das Bremer Gipfeltreffen für eine Bundesratsinitiative nutzen. Die wichtigsten Punkte: Obergrenze für Wölfe (Lies: „Vorausgesetzt, der günstige Erhaltungszustand ist erreicht“) nach französischem Modell, besserer Herdenschutz sowie eine enge Kooperation mit Polen, da von dort die meisten Wölfe kommen. Lies will den günstigen Erhaltungszustand „jedes Jahr überprüfen“, weil sich dann die Möglichkeit ergebe, „die Population besser zu managen und ein weiteres Anwachsen zu begrenzen“.
Die Bundeskanzlerin kann zufrieden sein – aber nur auf den ersten Blick. Ihre Vorschläge zur Reform der EU vom Wochenende wurden am Montag in Paris und Brüssel „begrüßt“. Von „Annäherung“war die Rede, allerdings auch von weiteren Anstrengungen, um „in den kommenden Wochen für eine ehrgeizige Bankenunion und die budgetäre Kapazität der Eurozone“zu arbeiten – so ein Sprecher von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron.
In Brüssel ließ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mitteilen, Merkels Ideen zur Stärkung der Eurozone gingen „in die richtige Richtung“– eine diplomatische Floskel, die Politiker gerne nutzen, wenn sie nicht von großer Enttäuschung sprechen wollen.
Denn Angela Merkels Positionen sind machen einen Kompromiss bis zum EU-Gipfeltreffen Ende des Monats nicht einfach. Nicht weil Macron weiter der Visionäre und die Kanzlerin die bremsende Realistin ist, sondern weil die beiden höchst unterschiedliche Vorstellungen von der Währungsunion von morgen haben.
Beispiel EWF: Ein Europäischer Währungsfonds soll rückständigen Staaten mit kurzfristigen Krediten auf die Beine helfen können. Merkel denkt an ein dirigistisches Instrument, das die nationalen Haushalte überwacht, um Darlehen nur gegen Reformen zu gewähren. Macron hält davon gar nichts.
Hinzu kommt, dass die Bundeskanzlerin den künftigen EWF in der Hoheit der Mitgliedstaaten belassen möchte, Macron wehrt sich gegen die damit verbundene Entmachtung der Europäischen Kommission. Und dass Merkel darüber hinaus dem EWF auch die Kompetenz überlassen will, notfalls Maßnahmen zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit eines Landes zu ergreifen, wird Macron (und nicht nur er) weit von sich weisen. Es wäre nämlich nicht weniger, als die Krisenlösung à la Griechenland zum System zu machen. Mit allen Konsequenzen
für den Ruf der Deutschen als Spar-Diktatoren der Union.
Dabei scheint absehbar, dass die EU sich auch grundsätzlich anders ausrichten würde. Denn in der Reformdiskussion ziehen gleich zwei neue Prinzipien ein: Nachdem Ideen zum Entzug von Gemeinschaftsgeldern für unwillige Regierungen keine Chance auf Verwirklichung hat, soll nunmehr auf die Belohnung derer gesetzt werden, die den europäischen Vorgaben beispielsweise zum stabilen Wirtschaften brav folgen. Den Anreiz dazu könnte ein zweites Instrument schaffen:
Immer mehr EU-Zuwendungen sollen im neuen mittelfristigen Finanzrahmen ab 2021 an innenpolitische Reformen geknüpft werden.
Doch die Finanzen und ihre Verwendung sind der Kern aller Konzepte – auch des dritten Wegs von Kommissionspräsident
Juncker. Weil jede Version in dem Verdacht steht, ein nächster Schritt auf dem Weg zur einer Transferunion inklusive Haftungsgemeinschaft zu sein. Die wird zwar nicht nur von Deutschland, aber sicherlich besonders heftig von der Bundesregierung abgelehnt. Merkels Vorschläge zeigen das.
Und so wird ein Kompromiss bis Ende Juni eben vor allem im Abspecken der weitgehenden französischen und Brüsseler Ideen bestehen. Zumindest das scheint mehrheitsfähig zu sein, wie ein Brief von acht Außenministern im März bereits andeutete. Da schrieben die Außenamtschefs von Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Lettland, Litauen, der Niederlande und Schweden, es sei besser, über das „Notwendige“zu reden als über Dinge nach dem Motto „nice to have“(schön zu haben). Und sie ergänzten eine vielsagende Mahnung: Deutschland und Frankreich seien nicht die EU.