KOMMENTARE Warnsignal
Das Klinikum Oldenburg hat ein Problem, ach was: Es hat viele Probleme. Das Haus hat ein Rekord-Minus eingefahren, das Verhältnis zwischen Chefärzten und Vorstand gilt als zerrüttet, noch immer macht der Fall des ehemaligen Klinikum-Pflegers und Serienmörders Niels Högel bundesweit Schlagzeilen. Und jetzt kommt auch noch eine erhöhte Sterberate bei Bauchspeicheldrüsen-Operationen hinzu. Zuletzt sollen 30 Prozent der Patienten verstorben sein, wo in der medizinischen Literatur von allenfalls fünf bis zehn Prozent Sterbefällen ausgegangen wird.
Es ist indes fahrlässig, diese Diskussion auf eine Stufe mit dem Fall Högel zu stellen. Die Pankreaskopfresektionen, um die es hier geht, gehören zu den anspruchsvollen Eingriffen, die an zumeist schwerstkranken Patienten vorgenommen werden. Das passiert in relativ kleiner Zahl, in Oldenburg sollen es zuletzt etwa 20 im Jahr gewesen sein. Aus diesen beiden Feststellungen folgt zweierlei, erstens: Die statistische Auswertung bleibt problematisch, weil Einzelfälle die Werte massiv nach oben oder unten verändern können. Zweitens: Jeder Fall muss einzeln bewertet werden, wenn es sich um schwerstkranke Patienten handelt.
Es klingt zynisch, aber Ärzte betonen gern, dass Sterblichkeit allein ein schwieriges Qualitätsmerkmal ist. Wer wurde hier operiert? In einigen Häusern, die ihre Qualitätsberichte regelmäßig veröffentlichen, sollen bereits Risikofälle abgelehnt werden zur Operation – weil sie sich negativ auf die Statistik auswirken können.
Auf der anderen Seite gibt es die Richtwerte von fünf oder zehn Prozent nicht ohne Grund. Wenn die Zahlen im Klinikum Oldenburg wiederholt deutlich darüber liegen, deutet das auf ein mögliches Problem hin. Die Ursachen können vielfältig sein: Werden hier zu viele Risikofälle operiert? Werden schwerstkranke Patienten nicht hinreichend aufgeklärt über die Risiken? Oder fehlt es vielleicht an chirurgischer Kompetenz? Die Zahlen sind zunächst vor allem ein Warnsignal. Das Klinikum muss jeden Einzelfall nüchtern analysieren, fachlich bewerten und sachlich diskutieren. Das aber scheint aktuell schwierig zu sein in der problembeladenen Atmosphäre. Dabei geht es um das wichtigste Gut einer Klinik: das Vertrauen der Patienten.
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