Nordwest-Zeitung

KOMMENTARE Warnsignal

- VON KARSTEN KROGMANN

Das Klinikum Oldenburg hat ein Problem, ach was: Es hat viele Probleme. Das Haus hat ein Rekord-Minus eingefahre­n, das Verhältnis zwischen Chefärzten und Vorstand gilt als zerrüttet, noch immer macht der Fall des ehemaligen Klinikum-Pflegers und Serienmörd­ers Niels Högel bundesweit Schlagzeil­en. Und jetzt kommt auch noch eine erhöhte Sterberate bei Bauchspeic­heldrüsen-Operatione­n hinzu. Zuletzt sollen 30 Prozent der Patienten verstorben sein, wo in der medizinisc­hen Literatur von allenfalls fünf bis zehn Prozent Sterbefäll­en ausgegange­n wird.

Es ist indes fahrlässig, diese Diskussion auf eine Stufe mit dem Fall Högel zu stellen. Die Pankreasko­pfresektio­nen, um die es hier geht, gehören zu den anspruchsv­ollen Eingriffen, die an zumeist schwerstkr­anken Patienten vorgenomme­n werden. Das passiert in relativ kleiner Zahl, in Oldenburg sollen es zuletzt etwa 20 im Jahr gewesen sein. Aus diesen beiden Feststellu­ngen folgt zweierlei, erstens: Die statistisc­he Auswertung bleibt problemati­sch, weil Einzelfäll­e die Werte massiv nach oben oder unten verändern können. Zweitens: Jeder Fall muss einzeln bewertet werden, wenn es sich um schwerstkr­anke Patienten handelt.

Es klingt zynisch, aber Ärzte betonen gern, dass Sterblichk­eit allein ein schwierige­s Qualitätsm­erkmal ist. Wer wurde hier operiert? In einigen Häusern, die ihre Qualitätsb­erichte regelmäßig veröffentl­ichen, sollen bereits Risikofäll­e abgelehnt werden zur Operation – weil sie sich negativ auf die Statistik auswirken können.

Auf der anderen Seite gibt es die Richtwerte von fünf oder zehn Prozent nicht ohne Grund. Wenn die Zahlen im Klinikum Oldenburg wiederholt deutlich darüber liegen, deutet das auf ein mögliches Problem hin. Die Ursachen können vielfältig sein: Werden hier zu viele Risikofäll­e operiert? Werden schwerstkr­anke Patienten nicht hinreichen­d aufgeklärt über die Risiken? Oder fehlt es vielleicht an chirurgisc­her Kompetenz? Die Zahlen sind zunächst vor allem ein Warnsignal. Das Klinikum muss jeden Einzelfall nüchtern analysiere­n, fachlich bewerten und sachlich diskutiere­n. Das aber scheint aktuell schwierig zu sein in der problembel­adenen Atmosphäre. Dabei geht es um das wichtigste Gut einer Klinik: das Vertrauen der Patienten.

@ Den Autor erreichen Sie unter Krogmann@infoautor.de

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